Story Türkei 1

Türkei Törn: Golf von Fethiye

Into the Rain

In die Türkei im Herbst? Wahrscheinlich nur etwas für ganz Unentwegte. Ein etwas anderer Törn in den Golf von Fethiye

Story und Bilder: Claus Reissig

Es ist das Wetter, das sich mancher Segler einmal für seinen Extremurlaub auf der Nordsee wünschen würde. Im Stundentakt ziehen die Gewitter über den Golf von Fethiye, Starkregen bricht mit Böen bis Windstärke neun über die Ankerbuchten herein. Die Achterleinen zerren an den zum Schutz der Pinien in die Uferregion eingemauerten Stahlpollern; die Ankerkette poltert, auf den Klampen knarren die Leinen und rauben der Crew den letzten Schlaf. Das mächtige Tiefdruckgebiet hat sich über dem Süden der Türkei festgesetzt und dort, wo sonst im Oktober noch Wetter mit Temperaturen reichlich über 25 Grad herrscht, ist seit Tagen deutscher Sommer.

Der Golf von Fethiye zählt wohl zu den schönsten Segelrevieren der Türkei, auch wenn heute die grünen Hänge und die hunderte Meter weit aufragenden Steilwände der Felsen in einen stumpfen Grau verschwinden. Nicht ohne eine gewisse Dramatik übrigens, nicht unattraktiv für Menschen die Grau mögen, aber bitte eben nicht hier und nicht mehrere Tage hintereinander. Die Schauerböen verschlucken selbst Ufer in unmittelbarer Nähe, auf der Wasseroberfläche bilden sich beachtliche Windwirbel. Der Revierführer verspricht für den Oktober im Schnitt lediglich drei Regentage – die haben wir schon alle, und die aus dem November gleich mit. In der Gegend um Marmaris könnte das Wetter besser sein, aber an die Überfahrt ist nicht zu denken. Die Crew meutert nach den ersten Schlägen in die reichlich zwei Meter Seegang und hängt nach der ersten Begeisterung schlapp über die Reling, also zurück hinter die Inseln.

Für dieses Wetter ist das Revier südlich von Göcek übrigens keine schlechte Wahl, es gibt dutzende Buchten. Kenner meinen, ein Urlaub würde kaum genügen um alle zu erkunden“

Story Türkei 7

Für dieses Wetter ist das Revier südlich von Göcek übrigens keine schlechte Wahl, es gibt dutzende Buchten, die Schutz nach allen Richtungen bieten. Kenner meinen, ein Urlaub würde kaum genügen um alle zu erkunden, in einigen sind Restaurants auf die Segler spezialisiert. Familie Yorulmaz betreibt das Wall Bay Restaurant im südlichsten Zipfel der Mauer-Bucht. Aus seiner ehemaligen Fischerhütte, in der sie früher die Gäste bedienten, ist fünfhundert Meter weiter nun eine ansehnliche Anlage geworden, der kleine Hafen fasst einige Dutzend Yachten die am Abend die Gäste der Yorulmaz sind. Das Dach des offenen Speiseraums aus Treibholz und rohen Stämmen verbreitet das Flair einer billigen Hütte und entpuppt sich erst beim zweiten Hinsehen mehr als Kunstwerk, mehr um den Anschein des Provisorischen zu wahren, als aus Notwendigkeit. Dahinter haben die Anlagen der Familie längst westlichen Standard erreicht. Die Küche mit den offenen Öfen, der lange, grobe Tresen sind die gut gemachte Illusion von der ursprünglichen Türkei, jedoch mit Ladestation für Handys und Laptop. Die Essenspreise haben durchaus westlichen Standard, günstig leben geht anders, auch wenn die hauseigenen Liegeplätze hier wie in anderen Restaurants zum Service gehören. Und wer kostenlos liegt, kommt gern zum Essen.

Das Ursprüngliche, Wilde ist einer wohl organisierten Freizeitindustrie mit all ihren Vor- und Nachteilen gewichen, aber wer will, kann sich selbstverständlich Türkei-typisch an der langen Ankerkette auf 25 Meter Tiefe und mit noch längeren Achterleinen an Land in eine ruhige Ecke der Bucht legen. Türkises Wasser und schnorcheln im vom Sommer immer noch warmen Wasser inbegriffen. Das und der normalerweise gemäßigte Wind, vielleicht sogar die Unsicherheit des Wetters, machen den Charme des Segelns in der herbstlichen Türkei aus.

Wir lassen die Crew schlafen und schleichen uns unter Segeln vom Ankerplatz. Von einigen früh auf Tour gegangenen Gullets abgesehen sind wir die einzigen Segel. Die mächtigen, mehrere hundert Meter hohen Berge geben Durchfahrten an Stellen frei, wo man keine vermuten würde. Eine landschaftliche Pracht mit Golfen, Fjorden und versteckten Buchten, man könnte sich ebensogut in Kanada oder Neuseeland wähnen. So mächtig und beeindruckend, dass man beim leisen Plätschern der Bugwelle auf dem glatten Wasser die vollgepackten Restaurant-Ankerbuchten schnell vergessen hat. Einmal herunter vom vom gut beschriebenen Track der Hafenhandbücher lässt sich die Ruhe kaum glauben. Kein weiteres Schiff teilt die weißen Kieselstrände mit uns, türkises Wasser fast wie in den Tropen und schroffe Unterwasserlandschaften umgeben uns, die Crew ist zufrieden: Bilderbuchtürkei. Laut platschend landet sie im Wasser.

Die sonst grünen Hänge und die hunderte Meter weit aufragenden Steilwände der Felsen verschwinden in einen stumpfen Grau. Nicht ohne eine gewisse Dramatik übrigens, nicht unattraktiv für Menschen die Grau mögen“

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Bei 26 Grad Lufttemparatur lassen sich die umliegenden, von Pinien und Olivenbäumen bestandenen Hänge kaum ignorieren. Schildkröten kreuzen den Weg nach oben, laut schreiende Eichhörnchen und Flügel schlagende Tauben bringen sich vor den Eindringlingen in Sicherheit. Der Wegesrand ist von Thymian, Rosmarin und manch anderen Kräutern gesäumt, im Hintergrund ist das Bimmeln der Ziegenglöckcken zu hören. Der Crew wird’s zu anstrengend, es geht alleine weiter, jede Etage auf dem Berg gibt den Blick in weitere Buchten frei, hinter dem nächsten Höhenrücken erscheint ein weiterer, dahinter wieder felsige Inseln. Vom Hochplateau überblickt man schließlich das Revier in seiner ganzen Ausdehnung. Buchten, Yachten und Gullets liegen einem wie bei einer Spielzeugeisenbahn zu Füßen.

Die Tagesetappen sind kurz, die Manöver zahlreich. Der Anker und dutzende Meter wasserschwere Festmacherleinen sind gerade verstaut, der Außenborder wieder an seinem Platz am Heckkorb, das Beiboot auf dem Vordeck gesichert. Die Segel werden gesetzt, während die Crew in ihren Kabinen verschwindet. Ein kurzer Augenblick der Ruhe, dann dreht der Wind und fordert Anpassungen bei der Beseglung und langsam ist schon wieder die nächste Bucht in Reichweite. Die Ausrüstung wird wieder hervor geholt, das Beiboot bringt die Festmacherleinen an die schroffen Felsen aus. Zum Glück hilft die Crew mit dem Anker. Für vier Personen an Bord gibt es Arbeit im Überfluss.

Das kleine Restaurant in der Asi-Bucht auf dem Weg aus dem Golf von Fethiye nach Marmaris bereitet sich bereits auf das Saisonende vor. Die schweizerischen Segler am Nachbartisch bestellen all die Leckerbissen, auf die sich die Crew gefreut hat. Also Lamm-Kasserolle oder die berühmten Fleischbälle in Granatapfelsauce? Sorry, finished, genauso wie der Salat. Immerhin werden es noch leckere Steaks mit Reis und Pommes Frites satt, die Crew ist besänftigt, bis zum Biss in die extrascharfe Pepperoni. Ob es noch einmal die Türkei sein soll? Nicht zum Segeln jedenfalls, sagt die Crew. Entschuldigt – im Alter von zwölf und 15 darf noch der Blick für die Schönheit noch fehlen.

Anreise: Von deutschen Flughäfen fliegt Turkish Airlines zu zahlreichen Zielen in der Türkei. Ein Ticket von Hamburg nach Dalaman (zwischen Göcek und Marmaris) kostet mit Turkish Airlines zum Beispiel ab 296,- Euro. www.turkishairlines.com

Der Shuttle vom Flughafen zur Basis kostet zwischen 50 und 70 Euro, es empfiehlt sich vor Ort die Preise zu vergleichen.

Essen: Als Segler wird man zumeist in den typischen Buchtenrestaurants essen. Die Küche ist regional, neben Hackspießen gibt es häufig fangfrischen Fisch oder Lamm. Die Preise schwanken zwischen 15 und 40 Lira pro Person und ohne Getränke. Meist wählt man die Speisen direkt in der Küche aus und fragt gleich auch nach dem Preis. Günstiger sind zumeist Marina-Restaurants.

Geld: Bezahlt wird in der Türkei mit Türkischen Lira oder direkt mit Euro in bar oder mit Kreditkarte, die Wechselkurse zur Landeswährung sind verhandlungsfähig.

Festmachen: Die türkischen Küsten fallen steil ins Meer ab, Sandbuchten sind selten. Geankert wird auf acht bis 20 Meter Wassertiefe, zusätzlich werden achtern Landleinen ausgebracht. Bei Seitenwind empfehlen sich Springs, die auf die mittschiffs oder vorn auf eine Klampe führen, um den Anker zu entlasten. In vielen Buchten wurden orangefarbene Poller oder Ringe einbetoniert, um die wassernahen Bäume zu schützen. Einige Buchtenrestaurants (z.B. im Golf von Fethyie) stellen für ihre Gäste kostenlos Steganlagen und Moorings zur Verfügung

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