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Test Boesch 970

Holzboote? Kauft doch keiner mehr! Von wegen: Die Wasserskiboote vom Zürichsee haben nach wie vor Konjunktur.

Der Erfolg einer Freizeitbeschäftigung richtet sich immer auch danach, wie familenverträglich sie ist. Ein Hobby, das der Partner nicht mitträgt, hat beste Chancen zum Scheitern verurteilt zu sein. Vor allem dann, wenn es zudem noch eine Menge Zeit und Geld verschlingt – Motorbootfahren gehört dazu. Lassen sich auf den Bootsmessen noch viele Frauen von vermeintlichem Luxus einlullen, geht die Toleranz der neuen Aktivität schnell gegen null, wenn sich ein Gleit-Boot das erste Mal Wellen ausgesetzt sieht und die Familie haltlos im Cockpit umherfliegt. Häufig versprechen die Daten atemberaubendes Reisen auf glatter See, ohne zu berücksichtigen, dass die Schwimmlage eines Bootes auch von den Seegangsverhältnissen abhängt. Und die ändern sich so schnell wie das Wetter.

Die Schweizer Firma Boesch hält dafür seit jeher eine Lösung parat. Ihre Boote werden durch eine ausgeklügelte Konstruktion immer in einem gut kontrollierbaren Fahrzustand gehalten, unabhängig von dem Wetter, der Geschwindigkeit oder dem Vermögen des Fahrers. Auch das neue Flaggschiff der Werft beherrscht diese Disziplin perfekt, die Boesch 970 demonstriert auf dem bewegten Zürichsee während der Testfahrt den Zustand, den Walter Boesch seinerzeit mit dem werbewirksamen Anglizismus Horizon Gliding versah. Während kompromisslosere Gleiter die benetzte Fläche immer weiter zu reduzieren versuchen, um die letzten Knoten hervor zu zaubern, liegen 40 Prozent der Boesch bei voller Geschwindigkeit unerschütterlich in absolut stabiler Lage auf der Wasseroberfläche auf. Das Boot hüpft nicht über die Wellen, wie ein wild gewordener Flummi, sondern fährt durch die meisten hindurch, als schiene Seegang viel zu profan, um sich lange damit auseinander zu setzen.

Dieses Verhalten bremst die Fahrt (an der 40-Knoten-Marke verzweifelt die 970 trotz ihrer beiden riesigen Maschinen, darüber kommen die starren Wellen an ihre hydrodynamischen Grenzen), aber es hat Einfluss auf den Komfort; wie mit einem Cabrio auf einer fast glatten Landstraße gleitet man dahin. Das ist Fahren eher wie in einer S-Klasse, als in einem Lamborghini und wer das kennen gelernt hat, will kaum wieder aussteigen. Der Fahrersitz zwingt einen mit gerader Lehne und limitierter Fußraumgröße zu einer bestimmten Sitzhaltung auf den makellosen Polstern (die man auch hochklappen und sich hinstellen kann) wie in einer betagten Oberklasse-Limousine; distinguiertes Reisen, das sich in der wohlgefälligen und gnädigen Miene des Fahrers und dessen Mitreisenden spiegelt.

Wie mit einem Cabrio auf einer fast glatten Landstraße gleitet man dahin. Das ist Fahren eher wie in einer S-Klasse, als in einem Lamborghini und wer das kennen gelernt hat, will kaum wieder aussteigen.

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Vor denen steht ein steiles Armaturenbrett, das seinen Namen auch verdient. Es hat dieselbe Beschichtungskur hinter sich hat wie alle anderen sichtbaren Holzteile: sechs Schichten Epoxydharz, zwischen denen das Boot bei 60 Grad getempert wird, dann drei Lagen PU-Lack und zum Schluss noch einmal drei mit der Spritzpistole. Die Außenlagen dieses Aufbaus glänzen, als gäbe es kein Morgen und halten rund zehn Jahre. Hinter dem Boot breitet sich diese charakteristische, flache Welle aus, für die bei Boesch in den Boomjahren die eigentliche Entwicklung anfing. Das eingezogene Heck sorgt für jenen unvergleichlichen Wasserabriss, der sich über fast zwei Meter dahin zieht, bevor er in dem schmalen Spiegel endet und für den Wasserskiläufer noch heute einen Kniefall machen.

Bei der Boesch 970 dürfte das nebensächlich sein, auch wenn sie dieselbe charakteristische Form wie alle ihre Vorgängerinnen hat, von Schiffbauingenieur Klaus Boesch selbst berechnet. In der Realität, sagt er, übertrifft das Boot noch seine eher konservativen Erwartungen. Die Grundform hat Vater Walter in den 60ern aus den USA mitgebracht, sie basiert auf einem starren, auf stählernen Helgen gebauten Holzrahmen, der schließlich an den fünf offenen Seiten mit jeweils einer fünflagigen Sperrholzplatte beplankt wird. Diese Bauweise lässt keine konkaven Krümmungen zu, alles an einer Boesch ist konvex, also nach außen gewölbt. Schon das ist einzigartig, wie auch die Stabilität, die sich daraus ergibt. Laut Boesch ist sie wesentlich höher als die von Glasfaser verstärktem Kunststoff oder anderen Holzbauverfahren. Das mag man gern glauben, denn trotz der umgesetzten Kraft von zwei Maschinen und des Leergewichtes von 4,5 Tonnen macht das Boot selbst in den Wellen des kreuzenden Fahrgastschiffes keinen Mucks.

Die jetzigen Köpfe der Firma Klaus und Urs Boesch sind Besessene vom Thema Motorboot, absolute Perfektionisten, die Träume bauen, die mit ihrem unverwechselbaren Straßenkreuzer-Look auch Menschen anlocken, die eigentlich mit Motorbooten oder Wasser gar nichts zu tun haben. Generationen von Kindern haben auf den makellosen Lackflächen ihre kleinen Handabdrücke hinterlassen, während die Väter ihren Frauen auf der Messe versuchen die Vorteile von V8-Motoren und niedrigen Heckseen zum Wasserskilaufen zu vermitteln.

Boesch ist Kult, so wie Riva es war, als die noch Holzboote bauten und mit denen Boesch immer wieder in einem Atemzug genannt wird. Dabei ist eine Boesch viel mehr als eine geplankte Riva, auch wenn die an der Cote d`Azur natürlich immer noch das Flair von Gunter Sachs und Brigitte Bardot umgibt. Boesch ist heute die technische Umsetzung des Versprechens Riva, oder vielleicht die Lebensanschauung einer ganzen Familie, die sich dem Thema Motorboot verschrieben hat. Nur wenige Werften haben das durchgehalten, was Boesch immer noch unbeirrt macht: Holzboote bauen und das in einer Perfektion, dass einem keine Frage mehr einfallen mag, weil man weiß, dass die Brüder darüber schon nachgedacht haben – und natürlich eine Lösung gefunden haben.

Nach Jahrzehnten der Boote in Wasserski verträglicher Größe kommt jetzt der Aufstieg in die Superklasse der Runabouts. Die Boesch 970 ist zehn Meter lang (mit ausgeklappter Badeplattform), 4,5 Tonnen schwer und wird von zwei V8 Bigblocks mit je 8,1 Liter Hubraum und 380 PS befeuert. Ein Statement, das in der Lage ist, die ewige Legende Riva zu knacken, wenn das Boot denn in die richtigen Hände geriete. Nicolas Sarkozy mit Gattin Carla vielleicht, beim Ausflug von St. Tropez nach Cannes hätte Glamour genug; in Nahaufnahme mit schäumender Gischt, beigem Leder und glänzendem Chrom. So entstehen Legenden, aber diesen Schritt hat Boesch auch so längst gemacht.

Zurück in der Realität am sommerlichen Zürichsee ist von dem tiefen Brummen der Motoren nichts zu hören, die CE-Richtlinien dämpfen röhrende Rohre zu einem leisen Flüstern zusammen. Vielleicht auch ganz gut so, so kann man sich auf der Terrasse des Restaurants am Abend noch sehen lassen, ohne von den Blicken der Umsitzenden getötet zu werden, die man sonst um ihre Ruhe gebracht hätte. Also Vollgas, die Gelegenheit kommt vielleicht nie wieder. Wie von einem Gummi gezogen rauscht die 970 durch die Drehzahlbereiche bis 4700 Umdrehungen anliegen, 39 Knoten zeigt das GPS. Erster Eindruck: Unspektakulär. Zumindest wenn man das Kavalierstart ähnliche Aufbäumen von Booten mit Maschine im Heck und Z-Antrieb gewohnt ist (der Autor nennt so eines sein eigen), die sich eher unwillig auf die Bugwelle hinauf schieben und dann fröhlich aufs Wasser schlagend Fahrt aufnehmen.

„Da haben Sie wohl viel zu trimmen?“ scherzt Klaus Boesch mit seinem Schweizer Akzent vom Beifahrersitz und meint Powertrimm und Trimmklappen, die man auf seinen Booten vergeblich sucht. Seine 970 bleibt dagegen fast langweilig ruhig, ihre Lage ändert sich durch alle Fahrzustände nur um wenige Grad. Die mittig eingebauten Maschinen machen es möglich, kombiniert mit starrer Welle und Propellern, die auf die systembedingt schräge Anströmung optimiert sind. Ein Detail, auf das Maschinenbau-Ingenieur Urs Boesch mindestens ebenso stolz ist, wie auf die von ihm erfundenen Beulenruder, die ohne Verwirbelungen fast störungsfrei im Schraubenstrom arbeiten. Die schräg stehenden Propeller heben das Heck nach oben, verhindern die spritmordende Halbgleitfahrt zwar nicht, mildern aber ihre Folgen. Dafür muss das Heck nicht einmal besonders breit sein, die breiteste Stelle einer Boesch befindet sich in Höhe der Maschinen, die Formel für das Gleichgewicht des Bootes in Gleitlage hat laut Klaus Boesch 17 Unbekannte.

Boesch hat ein Luxusproblem – keines der bisher ausgelieferten Boote wurde jemals abgewrackt. Eine Boesch stirbt keines natürlichen Todes.

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Gegenüber den kleineren Schwestern unterscheidet sich die 970 äußerlich durch das höhere Armaturenbrett und die Holzkante unter der Windschutzscheibe, neben der eben versenkten Luke im Vordeck und der kleinen Fenster im Rumpf die einzigen Anzeichen für die Kajüte im Vorschiff. Für Klaus Boesch, auch verantwortlich für die Linien des Rumpfes, ist die 970 so etwas wie ein Backdecker, ein Kajütboot, ohne dass man es von außen auf den ersten Blick sieht. Aber weit entfernt von den Schlupfkajüten, mit denen sich andere Runabouts schmücken: Hier findet sich ein Bad und gegenüber eine kleine Küche mit Mikrowelle und der unvermeidlichen Nespresso-Kaffeemaschine, die einzigen aufpreispflichtigen Extras. Denn auch wenn das Schiff nach Finnland geht, der Eigner ist Schweizer. Für ihn, der die große Boesch wollte und initiierte und das Boot schließlich von der Zeichnung kaufte, ist „Svenja“ der Fast-Commuter zwischen den finnischen Inseln, wo die Strecken mit dem Auto zu lange dauern würden. Alle Räume sind wasserdicht abgeschottet, die Stabilität wurde mit einem Zertifizierungsbüro gemeinsam bewiesen. Als Lohn gibt es für das offene Boot CE-Kategorie B, die eine Tauglichkeit außerhalb von Küstengewässern bis acht Beaufort bescheinigt. Eine Boesch für das offene Meer, wo sie sich zweifellos mindestens genauso gut macht wie ihre fast 4000 Schwestern auf den Seen, die sich zu einem großen Teil rings um die Alpen verteilen, bisher das klassische Boesch-Revier.

Neben den vier Sitzplätzen ist die Mahagoniyacht Mittschiffs mit eine bequemen und makellos ledergepolsterten Sitzgruppe bestückt, dazwischen ein aufklappbarer Mahagonitisch mit integrierter Bar für das Picknick in der Bucht. Sollte es regnen oder die Sonne zu heiß auf die Passagiere herunter brennen, lässt sich aus der Cockpitumrandung ein variables Dach hervorklappen, dass entweder nur die vorne Sitzenden, nur das hintere Cockpit oder wahlweise die gesamte Fläche überspannt. Zentrales Element dafür ist ein lamellierter – selbstverständlich selbst entworfener – zentraler Holzbogen, der steif wie ein Überrollbügel arretiert werden kann. Was fehlt, ist eine dramatisch innen verspiegelte Motorklappe, aber die, so Klaus Boesch, hat auf seinen Booten nichts zu suchen. Die Maschinen sollen unsichtbar und unauffällig ihren Dienst tun.

Trotz beständigen Absatzes (Sir Norman Foster nennt beispielsweise seit kurzem eine 750 sein eigen) gibt es bei Boesch ein Luxusproblem – keines der bisher ausgelieferten Boote wurde jemals abgewrackt. Eine Boesch stirbt keines natürlichen Todes, außer sie war auf dem Trailer in einen Straßenunfall verwickelt. Dadurch ist auf den mitteleuropäischen Seen eine spürbare Sättigung eingetreten, neue Reviere werden dringend benötigt. Für die Zukunft werden die Holzklassiker daher verstärkt auf der Ostsee angeboten, die Präsentation der 970 wurde im Juni schon einmal werbewirksam in die Hamburger Speicherstadt verlegt um beim norddeutschen Publikum zu punkten. Das Rüstzeug für die Ostsee haben Boeschs Boote bestimmt – auch wenn das Image bisher durch die Binnensee-Verbreitung ein anderes ist – da macht sich auch Klaus Boesch keine Sorgen.

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Daten:

Daten
Länge: 10,0 m
Rumpflänge: 9,70 m
Breite: 3,0 m
Tiefgang: 0,7 m
Verdrängung: 4,35 t (voll betankt)
Frischwassertank: 80 l
Benzintanks: 400 l
Maschinen: 2 Mercruiser V8; Hubraum je 8,1 l, je 380 PS; starre Wellen
Verhältnis Gewicht/Leistung: 5,9 kg/PS (Gleiter)
Reichweite bei Marschfahrt: ca. 200 Seemeilen
Grundpreis: ab 490.000 Euro
Design: Klaus Boesch

Werft:

Boesch Motorboote AG
Seestraße 197
8802 Kilchberg (Zürich)/Schweiz
Telefon: +41-44-7117575
www.boesch-boats.ch

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