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Test Cranchi E27

Kleines Boot, großer Motor. Das sind die Zutaten für einen Urlaub in der Adria. Oder auf der Müritz.

Es hatte gefroren in dieser Nacht. Der kleine Hafen in Deetz westlich von Berlin ist mit einer Eisschicht überzogen, unwillig kratzt die Cranchi 27 Endurance an dessen Kanten. Das Konzept der kleinen Yacht aus Piantedo nahe des Comer Sees, Polster und Freiflächen, die Küche im Cockpit verlangen nach Sommer und Wärme und nicht nach den null Grad im deutschen Herbst Ende November. Die Italienerin fremdelt im Havelland – das tun die meisten anderen Boote hier übrigens auch, aber die sind bereits im Winterlager.

Es kostet ein wenig Vorstellungskraft sich auf das Dolce Vita-Konzept einzulassen, wenn der Fahrer im Überlebensanzug durchs Cockpit stapft. Bei Kälte können sich die Features, die die Endurance (deutsch: Ausdauer) auszeichnen, nur schlecht in Szene setzen, dabei gibt es derer etliche. Konzeptionell ist das Boot mit der Mittelkonsole ein Walk Around, die Windschutzscheibe lässt auf beiden Seiten kleine Laufdecks über die man das topfebene Vordeck erreicht. Nicht abgerundet und schwer zu begehen, sondern gut nutzbar, als Liegefläche gedacht für den Sommer im Mittelmeer oder in diesem Falle vielleicht auf der Mecklenburger Seenplatte. Optional kann hier die Cranchi mit Polstern (1232 Euro) versehen werden.

Der hohe Sitz kann darüber hinweg täuschen, was passiert, wenn man den Hebel nach vorn legt: Die 280 PS in Verbindung mit dem Volvo Penta-Duoprop reißen die heute gänzlich unbeladene Endurance 27 nach vorn wie einen Dragster.

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Überhaupt Freiflächen: Der Steuerstand ist umgeben davon und macht klar, dass das Leben draußen statt drinnen stattfinden soll. Vor der Maschine füllt eine bequeme Sitzgruppe das Heck, der dazu gehörige Tisch (976 Euro) ist praktisch unter der elektrisch zu öffnenden Motorklappe verstaut, die daneben nur einen recht schmalen Schacht zur Maschinenwartung lässt. In der Bucht lässt sich der Fahrersitz nach vorn klappen und gibt die Außenpantry frei, serienmäßig mit Spüle und Kühlschrank. In dieser Form ist das derzeit eine beliebte Aufteilung, beeindruckend ist sie aber bei dieser Bootslänge, denn der eigentliche Rumpf der Cranchi 27 endet kurz hinter der Rückenlehne des Außensofas, die anschließende Sonnenliege ruht auf einer weit über das Heck ragenden, aufgesetzten Plattform. Die kleinere Schwester Panama 24 wird mit ansonsten gleicher Aufteilung mit Außenborder geliefert.

Die Cranchi ist ein Schiff ohne Dopplungen. Unter Deck wird auf ein zweites Sofa verzichtet, ebenso auf eine zweite Küche. In dem kleinen Möbel an Backbord kann lediglich eine Mikrowelle zusätzlich untergebracht werden (637 Euro), die dazu notwendige Landstromversorgung und ein Batterieladegerät sind serienmäßig verbaut, genauso übrigens wie der Boiler zur Warmwasserversorgung der Cockpitdusche oder das elektrisch betriebene WC in der geräumigen Nasszelle. Die ist – gerade in dieser Größe – ein nicht zu unterschätzender Luxus. Der obligatorische Schmutzwassertank will jedoch mit 1660 Euro extra bezahlt werden. Ansonsten? Liegeflächen. Die Kajüte der Cranchi will für nichts weiter da sein, als zum Übernachten oder um in der Mittagshitze eine Siesta zu halten, dazu natürlich zum Umziehen nach dem Baden. Die zentrale Liegefläche ist groß genug für zwei Personen, die Köpfe werden wegen der Neigung des Schiffes vorn liegen müssen. Die Koje unter der Cockpitwanne ist mit knapp 1,80 Meter für Kinder geeignet oder alternativ für Gepäck. Weiterer Stauraum ist innen wie außen rar, die Endurance ist ein Boot für Tagesausflüge mit Freunden in die nächste Bucht oder für ein Wochenende zu zweit.

Es wirkt nicht eng unter Deck, ihren Platz bezieht die kleine Yacht aus ihrer Rumpfhöhe, nett kaschiert durch die mit dynamisch wirkenden Kanten unterbrochenen Flanken. Das wirkt wertig und entspricht dem Anspruch der Werft, die auch größere und luxuriösere Boote im Angebot hat. Sehenswert ist auch der von innen makellos verarbeitete Rumpf, der zudem sorgfältig mit Topcoat ausgestrichen ist. Das schafft ebenso Vertrauen, wie die Abwesenheit jeglichen Klapperns, Quietschens oder Knisterns während der Fahrt.

Als wir im kalten Regen den Liegeplatz verlassen, durchbricht die Cranchi das Eis des Hafens wie die kalte Schokolade auf einem Kuchen. Es ist grau, Windstärke vier, und neben ein paar trägen Schwänen kreuzen nur vereinzelte Binnenschiffe unsren Weg. Der Steuermann sitzt hoch auf der bequemen Zweimann-Sitzbank. Die Übersicht ist gut, die Kajüte duckt sich auch bei langsamer Gleitfahrt erfolgreich aus dem Sichtfeld. Teilt sich der Fahrer seine Bank mit dem Mitfahrer stehen für ihn die Bedienelemente etwas außermittig.

Überhaupt Freiflächen: Der Steuerstand ist umgeben davon und macht klar, dass das Leben draußen statt drinnen stattfinden soll.

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Der hohe, unkonturierte Sitz kann darüber hinweg täuschen, was passiert, wenn man den Hebel nach vorn legt. Die 280 PS (als einzig lieferbare Motorisierung) in Verbindung mit dem sauber abstimmten Volvo Penta-Duoprop reißen die heute gänzlich unbeladene Endurance 27 nach vorn wie einen Dragster. Lediglich 15 Sekunden vergehen, bis sich das Boot auf Höchstgeschwindigkeit befindet, dazu kommt ein Motorsound wie bei einem V8, der Bass vielleicht noch etwas verstärkt durch die Auspuffposition unterhalb der Plattform. Davon, dass es sich um einen 4,3-Liter-V6 handelt, zeugt lediglich die Abwesenheit des typischen Achtzylinder-Brabbelns im Leerlauf.

Die Endurance wiegt gerade einmal 2,2 Tonnen, mit Gepäck, Familie und vollen Tanks dürfte noch einmal eine Tonne dazu kommen. Für den Fahrer ist sie unmittelbar und reagiert ungedämpft auf jede kleine Bewegung am Lenkrad oder am Gashebel. Beim Wendemanöver bei 20 Knoten verbeißt sich das durchgehende V des Rumpfs derart in die kalte Havel, dass es einen unvorbereiteten Mitfahrer vom Sitz reißen könnte.  Wer will, kann sie bei Volllast auf echte 38 Knoten bringen. Beladen wird es vermutlich etwas weniger sein, aber immer noch genug um mit ihr von Welle zu Welle zu springen. Bei aller Euphorie: Bummeln und vernünftig fahren geht auch. Bei um die 20 Knoten bringen einen die 270 Liter Sprit immerhin rund 150 Seemeilen weit und es ist noch genügend Reserve im Tank. Dann ist sie ein komfortabler Kreuzer.

Die Cranchi 27 ist ein Spaßgerät erster Güte, reichlich motorisiert, agil und das alles kaschiert durch gut nutzbare Sitzbänke, Küche und Liegeflächen. Mit 2,50 Meter Breite und gut zwei Tonnen Leergewicht ist sie hinter großen SUVs vom Schlage eine Defender oder Tuareg problemlos trailerbar. Die Aufpreisliste ist erfreulich kurz und wer will, kann zugunsten eines niedrigeren Preises auf Einiges verzichten, das könnte durchaus für die optionale elektrische Ankerwinde oder das aufpreispflichtige Bugstrahlruder gelten. Das damit, und mit einigem anderen zusätzlich ausgerüstete Testschiff hatte einen Gesamtpreis von gut 110.000 Euro.

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Daten:

Länge:                                                       8,5 m

Rumpflänge:                                             8,22 m

Länge Wasserlinie:                                    6 m

Breite:                                                       2,5 m

Tiefgang:                                                   0,9 m

Durchfahrtshöhe:                                      2,48 m

Kabinenhöhe:                                            1,83 m

Gewicht leer / beladen                               2,2/3,2 t

Baumaterial:                                              GfK

Motorisierung Test                                   Volvo Penta / V6-280 CE/G 4,3 / 206 (280 PS)

Antriebsart:                                               Aquamatic Duoprop

Kraftstofftank:                                          270 l

Frischwassertank:                                     77 l

CE-Kat. / Personen:                                  B (außerhalb geschützter Gewässer)/6

Schlafplätze/ Kabinen                               2+1

Konstruktion/Design:                               Aldo Cranchi / Cranchi

Preis Standard /Testschiff (€)                   91.690,-/110.575,- €

Fahrleistungen

U/min   kn            l/h            l/sm       sm            dB(A)

1500     5,40         7,00          1,30       187,46      61

3000     12,80       21,00        1,64       148,11      77

3500     18,20       28,00        1,54       157,95      81

4500     26,50       47,00        1,77       137,01      82

5800     38,00       72,00        1,89       128,25      84

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