ST Wracks Hugo Artikel 4

Karibik: Jahrzehnte nach „Hugo”

Wenn die Karibik ein Hurrikan trifft, gibt es kein Halten mehr. 1989 traf „Hugo” die Inseln. Die Wracks liegen dort noch Heute.

Die Bilder der Tropen vernebeln die Gedanken ganzer Seglergenerationen. Das Wasser schimmert in einem milden türkisenen Ton, müde plätschern die Wellen gegen den Rumpf, während der Passat gleichmäßig über das Schiff streicht. Die Karibik ist das Traumziel vieler Urlaubssegler und Aussteiger, weißer Sand und grüne Palmen sind der Stoff aus dem die Träume sind, um tausende Euro für einen Urlaub oder zehntausende Euro für ein Schiff anzulegen. Die Zeit zum Träumen ist jedoch begrenzt auf November bis April, davor und danach droht die Hurrikan-Saison. Der Übergang ist fließend und die Spanne zwischen einem gemütlichen Tag vor Anker und einem Kampf im Monstersturm beträgt teilweise nur eine Woche, ein Entkommen ist nahezu unmöglich.

Wie im Fall von Hurrikan „Hugo”. Er bildet sich vor fast knapp 30 Jahren als tropische Depression vor den Kapverdischen Inseln. Es ist der 10. September 1989, als „Hugos” Entstehen von den Wettersatelliten erstmals wahrgenommen wird, noch ist er ein normales Tiefdruckgebiet. In der Coral Bay auf St. John und der Nachbarinsel Vieques, die noch zu den US Virgin Islands gehört, geht das Leben seinen normalen Gang in der heißen, feuchten Sommerzeit. Die Yachten der Boat-Community in der Coral Bay sind sorgfältig nach der vorherrschenden nordöstlichen Windrichtung an ihren Ankern ausgerichtet. Viele von den an Bord lebenden Amerikanern liegen seit Anfang der 70er Jahre auf St. John, als sie sich vor der Rekrutierung zum Vietnam-Krieg in Sicherheit brachten. Hier waren Sie vor Ihren Häschern sicher, erzählt man sich in der „Skinny Leg Bar“, dem Seglertreff. Eine trügerische Sicherheit, wie sich später heraus stellen soll, zumindest im Jahr 1989.

14. September 1989. Die Windgeschwindigkeiten von Tiefdruckgebiet „Hugo” werden auf 95 bis 100 Knoten (bis 185 km/h) vorhergesagt, jetzt gilt es offiziell als Hurrikan.

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14. September 1989. Die Windgeschwindigkeiten von Tiefdruckgebiet „Hugo” werden im Zentrum in einiger Höhe auf 95 bis 100 Knoten (bis 185 km/h) vorhergesagt, jetzt gilt es offiziell als Hurrikan. In den USA, die als Ziel vieler auf dem Atlantik entstehender Stürme besonders betroffen sind, macht sich ein Überwachungsflugzeug bereit in das Auge des Zyklons zu fliegen, um dessen tatsächliche Stärke zu ermitteln. Was wie fliegerisches Harakiri klingt, ist gängige Praxis und die einzige Möglichkeit für eine realistische Einschätzung seiner Stärke. Die Windgeschwindigkeiten in Bodennähe werden auf maximal 86 Knoten geschätzt. In der Coral Bay, die nach drei Seiten gut geschützt ist, wird die Nachricht von einem möglichen weiteren Hurrikan in der Karibik nach „Gabrielle“ früher im Jahr unterdessen angekommen sein.

Wer es mit seinem Schiff bis jetzt nicht aus der Gegend heraus geschafft hat, trifft Vorbereitungen, sein Eigentum zu sichern. Übliche Praxis ist, Yachten mit mehreren Ankern zu verkatten, alles an Deck zu sichern und die Segel abzuschlagen. Wer kann, verholt sich in ein so genanntes Hurrikan-Hole, eine sichere Bucht zumeist von Mangroven umgeben, die Wind und Wellen bremsen und an denen man sich verzurrt, wie es Seglerlegende Bobby Schenk einst tat, als er mit seiner ersten „Thallassa“ auf den Fidschi-Inseln in einen Hurrikan geriet. Noch ist weder sicher, dass der Sturm die Karibik erreicht, noch wo, oder wie stark er sein wird. Sicher ist nur, dass die Zeit knapp wird, aber noch ist „Hugo” rund 850 nautische Meilen vom nächsten Land entfernt. Die Stahlyacht „Arawak“ ankert derweil vermutlich irgendwo auf der Südseite von Vieques hinter einem kleinen Inselchen. Der Ankergrund ist hart, viele Korallen und Felsen prägen den Grund.September 1989. Das amerikanische Aufklärungsflugzeug startet zu seinem Flug in den Sturm. Man will Gewissheit, um die Bevölkerung der südlichen und östlichen Küstengebiete, vor allem Florida, die Florida Keys und South Carolina rechtzeitig evakuieren zu können. In der Karibik dürften erste dunkle Wolken aufziehen, die an den Ankerplätzen den möglichen Sturm ankündigen. Das türkisfarbige Wasser verwandelt sich in ein schmutziges Grün. Das gewohnte Laissez-faire der Segler weicht Sorge und Betriebsamkeit. In der Coral Bay ist auf einer rund zehn Meter langen Stahlyacht mit klassischem zweistufigen Aufbau vermutlich alle Ankerkette gesteckt, die Ausrüstung unter Deck gebracht. Der Ankergrund ist gut, durch die Mangroven ringsum eher Schlick als Sand.

Die Crew des Aufklärungsflugzeuges rechnet immer noch mit 85 Knoten Windgeschwindigkeit, als sie auf „Hugos“ Auge zufliegt. Eine grobe Fehleinschätzung, wie sich gleich heraus stellen soll – der Hurrikan wurde massiv unterschätzt. In niedriger Höhe fliegt die Maschine in das Zentrum, an dem die umlaufenden Windgeschwindigkeiten am höchsten sind. Schließlich stehen die Messinstrumente auf fast 165 Knoten (300 km/h), der Luftdruck wird mit 918 Millibar festgestellt. Aus einem Routineflug für die Piloten wird ein Überlebenskampf in einem Monstersturm, der die Maschine nicht mehr hergeben möchte. Schließlich müssen 25 Tonnen Kerosin abgelassen werden, um dem Sturm zu entkommen. Das Flugzeug ist schwer beschädigt, aus den Aufzeichnungen an Bord wird eine Windgeschwindigkeit am Boden von fast 140 Knoten (250 km/h)  berechnet.

Auf den Ankerplätzen mit den verbliebenen Yachten in der Karibik gibt es unterdessen keinen Zweifel mehr, dass der Hurrikan die Inseln erreicht. Aber wo wird er auftreffen? Man weiß, dass er riesig ist. Der Himmel ist mit einer bedrohlichen Wolkendecke bezogen, es regnet teils heftig, der Wind ist seiner gewohnten Richtung auf Süd gedreht. Schon jetzt herrschen auf den Schiffen unangenehme Bedingungen, sie rollen an ihren Ankern, in den Riggs jaulen die Vorboten des Sturms.

17. September, „Hugo” erreicht als Hurrikan Stufe fünf gegen Mitternacht die Inseln Guadeloupe und Montserrat. Seine Windgeschwindigkeit am Boden hat 120 Knoten erreicht, in Böen werden 145 Knoten gemessen. Die Beaufort-Skala gibt Windstärke 12 mit 64 Knoten und mehr an, alles was darüber liegt, gilt als derart zerstörerisch, dass man es nicht mehr extra erfassen muss. Während nahezu die gesamte Bevölkerung von Montserrat obdachlos wird und 22 Menschen sterben, können die Skipper auf ihren Yachten in den Virgin Islands nur noch abwarten. Alles was sie tun konnten, haben sie getan, jetzt bleibt nur noch die Hoffnung, dass der Sturm zumindest mit seinem Auge an ihnen vorbei zieht.

Aber „Hugo” hat seinen eigenen Weg. Er bleibt über der Karibischen See westlich der kleinen Antillen strickt auf seinem West-Nordwest-Kurs. Sein Zentrum passiert Nevis im 20-Kilometer-Abstand, Tortola liegt 70 Kilometer nördlich seines kilometergroßen Auges, was immer noch für immense Zerstörungen ausreicht. Der Wolkenwirbel, den „Hugo“ erzeugt hat, ist hunderte Kilometer groß und reicht von der mexikanischen Halbinsel bis weit hinaus in den Atlantik.

In der Bucht tobt das Inferno. Völlig intakt und mit stehendem Mast treibt das hochseetüchtige Schiff durch die ankernden Yachten, die sich halten können, ehe es mit seinem Kiel den Grund berührt.

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19. September 1989, „Hugo” trifft St. Croix, Vieques und den östlichen Teil von Puerto Rico frontal. St. John und die Coral Bay sind nur rund wenige Meilen entfernt. Die Stahlyacht „Arawak“ mit ihren langen Kiel und dem Holzdeck wird südöstlich der Ortschaft Esperanza auf Vieques auf das Korallenriff des kleinen Inselchens Cayo Real geworfen. Die meterhohen Wellen schleifen das tonnenschwere Schiff wie einen überdimensionierten Hobel umgeben von Brechern und Gischt durch das flache Wasser, ehe es endlich entmastet auf Tonnen abgeschlagener Korallen auf dem Strand zum liegen kommt.

Für „Arawak“ ist die Reise hier zu Ende, während die Besitzer der Schiffe in der Coral Bay um ihre Bleiben Kämpfen. Von dem kleinen Culebra wenige Meilen nordwestlich meldet das Frachtschiff „Night Cap“ 145 Knoten Windgeschwindigkeit, während sie im Hafen den Sturm abreitet, auf Puerto Rico werden gut 105 Knoten gemessen. Der Anker der kleinen Stahlyacht auf St. John hält währenddessen dem Druck des Windes und der Wellen, die ungehindert in die nach Süden offene Bucht brechen, nicht stand. In der Bucht tobt das Inferno. Völlig intakt und mit stehendem Mast treibt das hochseetüchtige Schiff durch die ankernden Yachten, die sich halten können, ehe es mit seinem Kiel den Grund berührt.

Die Ankerkette ist immer noch zum Zerreißen gespannt, während es sich langsam auf die Seite legt und in dem nur knapp zwei Meter tiefen Wasser sinkt. Mit ihm werden zahllose andere Schiffe wie Spielzeug an Land geworfen, auf Saba Island südlich von St. Thomas strandet eine Kunststoffyacht und wird auf dem felsigen Strand von den Wellen regelrecht zermahlen. Ohne Heck und mit geborstenem Rumpf bleibt sie liegen, während der Hurrikan schließlich nach Norden abzieht, und seine Gewalt bereits von den Bergen Puerto Ricos abgeschwächt wird.

Der Wind dreht in den folgenden Stunden von Süd langsam auf West und nimmt über die kommenden Tage kontinuierlich ab, bis schließlich der Regen nachlässt und die Sonne wieder zum Vorschein kommt. Auf den Inseln und Ankerplätzen hat „Hugo” eine beispiellose Verwüstung hinterlassen. Die Jahrzehnte alten Palmen an den Traumstränden sind entweder entwurzelt oder stehen als nackte Stängel ohne Blätter im Wind. Das Wasser ist schmutzig braun, überall liegt Treibgut an den Ufern. Hunderte Yachten wurden versenkt oder beschädigt und teilweise über weite Strecken ins Binnenland verfrachtet. Während das Gros der Schiffe geborgen und teilweise repariert werden konnte, überließ man viele andere einfach ihrem Schicksal. Sie zeugen auch nach 20 Jahren noch von der Zerstörungskraft von Hurrikan „Hugo”, einem der schlimmsten Hurrikans, die das Traumrevier Karibik je trafen.

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„Hugos“ Reise

Am Ende seiner Reise vom 10. Bis 22. September 1989 sollte „Hugo“ einen Schaden von rund sechs Milliarden Euro angerichtet haben, davon alleine drei in der Karibik. Am stärksten betroffen waren die kleinen Antilleninseln Montserrat, Guadeloupe, Nevis, sowie die Dominikanische Republik, Puerto Rico und die US Virgin Islands inklusive des Gebiets der heutigen Spanish Virgin Islands. Alle angrenzenden karibischen Gebiete wurden teils erheblich verwüstet. Ab dem 22. September wurde „Hugo“ als tropischer Sturm zurückgestuft, nachdem er vorher noch Florida, sowie North- und South Carolina getroffen hatte. 61 Menschen starben in diesen zwölf Tagen.

Revier mit Risiko

Die Chance in der Karibik von einem Hurrikan getroffen zu werden, ist groß. Umschichtig werden alle Inseln immer einmal wieder von verheerenden Stürmen heimgesucht. Lässt sich sein Zugweg einigermaßen abschätzen, hilft schnell Entschlossenen manchmal die Flucht in die entgegen gesetzte Richtung. Für Segler, die ihre Reise unterbrechen und ihr Schiff in der Karibik lassen möchten, werden spezielle Lagerplätze angeboten. Yachtversicherungen lehnen in der Zeit zwischen Mitte Juni und Mitte November in der Karibik jegliche Deckung für Hurrikans ab, wenn das Boot ungesichert ist. Es muss in ein Hurrikan-Hole verholt sein oder mit gelegtem Mast an Land stehen. Zudem sehen die Verträge vor, dass alle Anbauteile wie Segel oder Sprayhood unter Deck gebracht sein müssen. Sonst heißt es volles Risiko für die Yachteigner.

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