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Test Bluestorm 900

Wer schnell nach Helgoland will, nimmt die Fähre. Oder die Bluestorm 900. Verzicht und Speed werden zum Prinzip.

 Text und Fotos: Claus Reissig

Zwei Prädikate müssen ein Schiff heutzutage scheinbar auszeichnen, damit es Erfolg hat: familientauglich und sportlich. Dass das eine das andre in den meisten Fällen ausschließt – zumindest bei Schiffen einer Größe, die für den Normalverdiener einigermaßen bezahlbar scheinen – wird von den Werften höflich verschwiegen. Sollte sportlich mit schnell übersetzt werden, würde das wohl am ehesten auf ein Schiff wie die unauffällige Bluestorm 900 zutreffen. Leicht, mit einem flachen Rumpf und ausreichend Segelfläche bezeichnet sie Erbauer Heinz-Erhard Förster aus Wardenburg in der Nähe von Bremen bescheiden als Jollenkreuzer. Obwohl sie das streng genommen nicht ist, sondern ein Schwenkkieler, dessen Kiel sich also zur Tiefgangsreduzierung unter den Rumpf klappen lässt.

Drei Beaufort und weniger auf der Nordsee vor Hooksiel lassen beim Test nur erahnen, wie die Segelei aussehen könnte, wenn man sich für eine Bluestorm entscheidet und nicht für ein Familienschiff. Unter Gennaker gleitet das von Keith Callaghan gezeichnete Schiffchen trotz flauem Wind an, Halbwinds zeigt die Logge bei diesen Bedingungen bereits sieben Knoten. Wer hier sonst noch unterwegs ist, hat entweder die Maschine an oder steht beinahe. Das hat seinen Grund: Lediglich 1,8 Tonnen bringt die neun Meter lange Yacht auf die Waage, mit einer Breite von drei Metern ist sie zudem trailerbar. Unerwartet groß ist das Cockpit, hier fiele die Abwesenheit von Sportlichkeit zum ersten Mal auf: Es ist tief, bequem und auch bei Seegang sicher; familientauglich, könnte man sagen. Um das zu erreichen verzichtet Förster auf eine Achterkabine, die das Schiff weit in die Höhe wachsen ließe.

Überhaupt ist das Schiff eine eigenwillige Mischung verschiedener Stile. Heck und Cockpit erinnern entfernt an einen Jollenkreuzer, die Holzflanken des Aufbaus sind Reminiszenzen an traditionellen Bootsbau.”

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Überhaupt ist das Schiff eine eigenwillige Mischung verschiedener Stile. Heck und Cockpit erinnern entfernt an den erwähnten Jollenkreuzer, die Doppelruderanlage eher an ein schnelles Regattaschiff, die Holzflanken des Aufbaus sind Reminiszenzen an traditionellen Bootsbau, dazu kommt ein Bugspriet für den Gennaker, unter dem auch gleich der Anker hängt. Die Kante in der Rumpfflanke zeigt, dass als bevorzugtes Baumaterial Sperrholz und nicht GfK zum Einsatz kommt. Damit beugt sich das Schiff keinerlei Mainstream, folgt nicht den Wunsch nach möglichst vielen Kunden – ein Attribut, das Werften früher unverwechselbar machte, wenn der Bootsbauer sein für sich ideales Schiff baute.

Förster macht das immer noch. Unter Deck sollten seine Kunden nicht mehr als eine Koje für zwei Personen, einen halb offenen WC-Raum und eine Pantry erwarten, in der man am besten im Sitzen kocht. Im Salon ist die Bluestorm ehrliche 1,57 Meter hoch, das genügt zum bequemen Sitzen und gebückt gehen. Zwischen den langen Sitzbänken, die bei Bedarf als zusätzliche Kojen genutzt werden können,  steht dominant der Schwertkasten. Luxus glänzt durch Abwesenheit, Försters Werk ist kein segelndes Ferienhaus, sondern ein bewohnbares Segelschiff.

Entsprechend sind die Innenwände sauber verschliffen und lackiert, lediglich unterbrochen durch einige klar lackierte Dekor-Elemente aus Naturholz. Der Verzicht von Decken- und Wandverkleidungen spart Gewicht und erhöht die Geschwindigkeit. Einen Kühlschrank bekommt man von Förster nicht für Geld und gute Worte: „Davon verstehe ich nichts!“ sagt der Bootsbauer mit bestechender Ehrlichkeit. Der flache Rumpf hält die verfügbaren Stauräume in engen Grenzen, was wiederum vor zu viel Zuladung schützt. Zwei Schubladen unter der vorderen Koje und einige offene Schapps müssen reichen. Wer will, kann den leeren Raum unter der Backbord-Cockpitbank optional als Stauraum oder Hundekoje verwenden. Die andre Seite ist von außen als Backkiste nutzbar.

Die Bluestorm 900 ist das Glück des Einzelgängers, der auf eine heiße Dusche an Bord und zu viele Menschen um sich herum verzichten kann, aber nicht muss. Diesen Luxus bieten nicht viele Schiffe.”

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Auch von der maritimen Ausstattung ist die Bluestorm ein Schiff für Segler. 37 Quadratmeter Segelfläche mit der serienmäßigen (aber etwas unwillig die Seite wechselnden) Selbstwendefock genügen bei mäßigem Wind. Die Laufdecks auf dem Weg zum Vorschiff sind schmal und sowohl das Großsegel, als auch die Fock werden auf dem Testschiff mit der Hand dicht genommen, im letzteren Fall könnte eine Umlenkung auf eine Winsch eventuell nicht schaden. Die solide Ruderkonstruktion ist wie einiges andre auch von Bootsbauer Förster selbst entwickelt. Wie bei Doppelruderanlagen üblich, ist unter Segeln keinerlei Druck an der Pinne spürbar, bei Manövern unter Maschine verlangt die mangelnde Anströmung der Ruder dagegen ein wenig Umdenken. 14 tuckernde Diesel-PS von Yanmar genügen, um das kleine Schiff auch bei Flaute mit fast sieben Knoten in den Hafen zu bringen.

Nach einiger Zeit an Bord kann man glauben, dass man auch nicht mehr braucht auf dem Wasser, es kommt drauf an, was man mit seinem Schiff vorhat. Am Wochenende ist man mit der unkomplizierten Bluestorm vermutlich der Erste, der den Hafen verlassen kann, bei richtigem Wind hat man dann schon nach wenigen Meilen die Flotte der auslaufenden Wochenendsegler hinter sich gelassen und kann die freie See genießen. Voraussichtlich ist man als Erster auf Helgoland, bekommt einen guten Liegeplatz und hat bereits gegessen, wenn der Rest der Flotte einläuft. Das macht die Bluestorm 900 zum Glück des Einzelgängers, der auf eine heiße Dusche an Bord und zu viele Menschen um sich herum verzichten kann, aber nicht muss. Diesen Luxus bieten nicht viele Schiffe. So viel Individualität hat aber auch Ihren Preis: ab 140.000 Euro verlangt Bootsbauer Förster für jede von ihm einzeln angefertigte Bluestorm 900.

Es kommt darauf an, was man mit dem Schiff vorhat. Aber nach einiger Zeit an Bord kann man glauben, dass man auf dem Wasser nicht mehr braucht – eine Erkenntnis, die Vieles im Leben erleichtert.”

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Daten und Preise

Länge: 9,0 m
Breite: 3,0 m
Tiefgang: 2,20 / 0,90 m
Verdrängung: 1,8 t
Ballast: 0,35 t
Großsegel: 23,5 qm
Selbstwendefock: 13,8 qm
Gennaker: ca. 45 qm
Diesel: 70 l
Maschine: Yanmar Diesel 14 PS (10,3 kW), Saildrive mit zweiflügligem Drehflügelpropeller
Konstrukteur: Keith Callaghan
CE-Kategorie: B (außerhalb von Küstengewässern)
Preis: Ab 140.000,- Euro

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