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Test Bavaria C57

Die Bavaria GmbH produziert nach der Insolvenz wieder Yachten. Es gibt einen neuen Investor. Größtes Schiff wird in Zukunft die Bavaria C57 sein. Impressionen von Testschlägen vor Split.

 

Story und Fotos: Claus Reissig

 

Bavaria zwischen den Extremen: Noch im Januar sollen es auf der Boot in Düsseldorf 160 unterzeichnete Verträge gewesen sein – aber der Erfolg war mit einem gewaltigen Messeauftritt erkauft worden. Wenige Wochen später war das Unternehmen insolvent. Monatelang wurde spekuliert, jetzt gibt es einen neuen Investor.

Die Fertigung wird bereinigt, ebenso wie die Bootstypen: Das über 20 Meter lange Flaggschiff C65 wird eingestellt, die C57 wird zukünftig das größte Schiff sein, auch ein mächtiges Boot. Es führt die Werft weg von dem praktischen, etwas beliebigen Styling der Vergangenheit hin zu emotionalen Yachten für die – man mag es kaum glauben – Einsteiger der Neuzeit. Die sind für die Bavaria-Verantwortlichen zwischen 40 und 55 Jahre alt und haben Spaß an einem großen Schiff, das die Segelei so einfach wie möglich macht.

Die Einsteiger der Neuzeit – man mag es kaum glauben – sind für Bavaria zwischen 40 und 55 Jahre alt und wollen ein großes Schiff, das die Segelei so einfach wie möglich macht.”

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Ein wenig lehnt sich die C57 da an bekannte Konzepte an. Die Kombination von Selbstwendefock und dem flachen, etwas bedrohlich blickenden Aufbau ist nicht neu, ebenso wenig wie der Lounge ähnliche Ausbau – aber eben für Bavaria. Man spielt jetzt auch mit Emotionen.

Alt gediente Segler können mit diesem Konzept eventuell wenig anfangen. Das Schiff ist übersät mit Liegeflächen und Polstern, hat zahlreiche Sitzecken, eine Tendergarage und eine klappbare Badeplattform. Segeln 4.0, wenn man so will, die Bayern wollen nicht bekehren, sondern liefern, was der Markt verlangt. Und das sind derzeit Schiffe für das Versprechen von Segeln light. Nicht mit voll Stoff durch die Wellen der Nordsee, sondern seicht in die Buchten des Mittelmeers.

Daran orientiert sich das gesamte Layout. Pantry, Cockpit oder die gewaltige Fläche des Salons zeugen nicht von guter Nutzbarkeit bei Nacht und Lage, sondern bei Brise und Sonne. Und dafür ist die neue Bavaria durchaus ein nettes Spielzeug, auch der Chartermarkt verlangt nach so etwas; wer will kann das Schiff mit bis zu fünf Kabinen und zehn Kojen ordern. Fast die Hälfte der Produktion geht in den Mietmarkt, weiß man in Giebelstadt, aber eben auch nicht mehr; die andere Hälfte erstehen somit private Käufer.

Das Schiff ist übersät mit Liegeflächen und Polstern, hat zahlreiche Sitzecken, eine Tendergarage und eine klappbare Badeplattform. Segeln 4.0, wenn man so will.”

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Die C57 ist ein mächtiges Boot, hochbordig durch den flachen Aufbau, denn schließlich soll man ja auch unter den Laufdecks komfortabel stehen. Der blau lackierte Rumpf macht aus dem neuen Bavaria-Flaggschiff trotzdem eine elegante Erscheinung, wird aber ein Einzelstück bleiben. 2017 wurde die Produktion auf Harz-Injektion umgestellt und um dessen Verteilung zu beobachten die C57 transparent ohne Gelcoat gebaut. Danach wurde das Schiff blau lackiert. Schick, aber eben die Ausnahme, die Nachfolgerinnen werden weiß.

Unter Deck nimmt man den Unterschied zum früheren Handauflegeverfahren am ehesten wahr. Der sonst so präsente Styrol-Geruch fehlt fast völlig, ebenso wie alles Knirschen und Knacken während des Segelns. In der C57 ist es auch an der Kreuz still wie in einer Kirche. Das neue Bauverfahren spart zwar nicht an Gewicht, liefert aber zusätzliche Stabilität.

Das Revier vor Split erwartet uns mit unbeständigem Wetter, die letzten Tage hat es geregnet, der heutige beginnt mit leicht umlaufendem Wind. Schließlich setzt sich eine leichte Brise durch, es herrschen fast ideale Bedingungen, die die 17 Tonnen schwere Yacht erstaunlich schnell anspringen lassen – trotz Rollgroßsegel und Selbstwendefock. Fünf Knoten am Wind sind ein ordentlicher Wert für dieses Segelkonzept, auf raumeren Kurzen greifen wir auf den Gennaker zurück. Trotz der zusätzlichen 232 Quadratmeter an dem reichlich über 20 Meter hohen Rollmast bleibt es easy-sailing auf dem Cruiser: Gemächlich neigt sich das 5,25 Meter breite Schiff zur Seite, die Kräfte werden bequem mit elektrischen Winschen souverän gebändigt, große Kräfte wären auf diesem Schiff auch fehl am Platz.

In der C57 ist es auch an der Kreuz still wie in einer Kirche. Das neue Bauverfahren spart zwar nicht an Gewicht, liefert aber zusätzliche Stabilität.”

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Von seinen beiden Steuerpositionen hat der Rudergänger immer einen guten Blick über das Schiff, lediglich die zahlreichen Anzeigen auf den Steuersäulen sind unsichtbar, wenn er sitzt. Dann bleiben zur Kontrolle die niedriger angebrachten Kompasse.

Die doppelten Ruderblätter sind unter Segeln nicht zu spüren, systembedingt glänzt dadurch zudem jegliche Luvgierigkeit durch Abwesenheit. Daran muss man sich ein wenig gewöhnen, ebenso an das verspätete Ansprechen bei Rückwärtsfahrten unter Maschine. Zwei Ruderblätter brauchen etwas mehr Geschwindigkeit, ehe das Boot reagiert, die große Bavaria ist da keine Ausnahme. Wem das missfällt, der kann auf die optionalen vorderen und hinteren Querstrahlruder zurückgreifen, mit denen die Manöver auch ohne Übung kinderleicht zu fahren sind.

Für die Mitsegler ist es ein wenig wie auf Bavarias Vision-Reihe. Sie sitzen in zwei Sitzgruppen hinter festen Tischen, die sich optional absenken lassen. Dann entstehen im Cockpit Motorboot-like zwei große Liegeflächen. Das passt zur C57 und auch zu dem geänderten Segelverhalten: Über Nacht oder Langstrecken werden mit der C57 wohl trotz ihrer Größe kaum gesegelt werden. Sie will ein Appartement sein, mit dem man segeln kann und kein bewohnbarer Segler.

Entsprechend riesig ist das Cockpit: bis zu elf Personen aus der Konstruktion und von den Ausrüstern halten sich hier heute teilweise auf, ohne dass es eng wird. Vor allem dem Chartereinsatz kann die Bavaria diesbezüglich also recht gelassen entgegensehen. Auch die große, klappbare Badeplattform wird dazu beitragen, die gleichzeitig die Tendergarage verbirgt. Sie schluckt den – zugegebenermaßen recht kompakten –  Williams Jettender komplett mit Motor und Antrieb. Lediglich das Steuerrad muss nach dem Herausrollen noch montiert werden. Einziges Manko: Große Chartercrews werden zweimal fahren müssen, wenn sie in der Bucht vor Anker liegen.

Über Nacht oder Langstrecken werden mit der C57 wohl trotz ihrer Größe kaum gesegelt werden. Sie will ein Appartement sein, mit dem man segeln kann und kein bewohnbarer Segler.”

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Und unter Deck? Bemerkenswert ist allem voran der große Salon mit seinen Freiflächen, ausgebaut nach bester Bavaria-Manier. Die verbauten Materialien entsprechen weitestgehend den der kleineren Modelle, was dem Schiff trotz seines Volumens kein luxuriöses Flair verschafft. Das soll keine Kritik sein: die Ausstattung ist solide, professionell verarbeitet und zweckmäßig. Die drei Kojen sind groß genug für jeweils zwei Personen, zudem verfügt die C57 über eine kleine Skipperkabine im Vorschiff. Die Pantry wurde, durch eine Stufe im Boden vom Rest getrennt, quer hinter dem Hauptschott eingebaut. Die Ausstattung ist mit Spülmaschine, Gefrierschrank oder Weinkühler durchaus üppig, der kleine Ablüfter über dem Herd muss vielleicht nicht sein.

Auffällig ist hingegen der Geräuschpegel des 110 PS starken, optionalen Diesels mit starrer Welle (Standard: 80 PS mit Saildrive). Auch die vielen Polster für Cockpit, Kajütdach und Vorschiff brauchen Aufmerksamkeit: Sie füllen auf unsrem Testschiff die gesamte Koje einer der Achterkabinen. Die elektrische Anlage wurde komplett auf BUS-System umgebaut, das spart dutzende Kilogramm an Kabeln und manifestiert sich in einem schlichten Touchscreen für alle Funktionen der Yacht statt in einem martialischen Sicherungskasten mit Rundinstrumenten. Wer Smartphones mag, wird auch damit gut zurechtkommen.

Die verbauten Materialien verschaffen dem Schiff trotz seines Volumens kein luxuriöses Flair. Das soll keine Kritik sein: die Ausstattung ist solide und zweckmäßig.”

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Optional lassen sich wie auf dem Testschiff gut stehende Epex-Segel oder ein Gennaker ordern. Zum echten Komfort-Kreuzer wird die Yacht beim Ausschöpfen der Optionen in der Preisliste – der Preis für das Testschiff übersteigt dabei den der Serienversion um nahezu 200.000 Euro.

Daten  
LüA: 16,73 m
Rumpflänge: 16,16 m
LWL: 15,50 m
Breite:  5,25 m
Tiefgang: 2,52 m (Option 1,99 m)
Verdrängung: 17,1 t
Ballast: 5,3 t
Ballastanteil: 32 %
Großsegel: 80 qm
Selbstwendefock: 56,5 qm
Gennaker: 232 qm
Wasser: 650 l
Diesel: 500 l
Maschine: Yanmar Diesel 4JH80, 80 PS (59 kW)
Antrieb: Saildrive mit dreiflügligem Festpropeller
Konstruktion: Cossutti Yacht Design
CE-Kategorie: A (Hochsee)
Preis: ab 446.131,- Euro
Preis Testschiff: 641.291,- Euro

 

Fahrleistungen unter Segeln (Windgeschwindigkeit: 7-10 Knoten / 3-4 Bft.)

Am Wind 5,0 Knoten*
60° 6,0 Knoten
90° 7,6 Knoten
120° 7,8 Knoten
180° 6,7 Knoten

Werft: Bavaria Yachtbau GmbH, Bavariastraße 1 97232 Giebelstadt

www.bavaria-yachtbau.com

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