Taxis Markusplatz©CLAUS REISSIG0000

Taxiboote in Venedig

Venedigs Taxiboote sind markant wie Manhattans Yellow Cabs. Sie gehören zum Rückgrat des Nahverkehrs und werden seit Jahrzehnten im gleichen Stil gebaut. Ein Besuch in der Werft.

 

Story und Bilder: Claus Reissig

 

Wenn Elton John seine Villa auf dem Lido di Venezia mit Blick auf den Markusplatz verlässt, um mit dem Wassertaxi in die Lagunenstadt zu pendeln, hat er es gern traditionell – seit Jahren bestellt er sich immer dasselbe hölzerne Boot. Das alte Taxi ist liebevoll gepflegt und perfekt lackiert und hat seine besten Jahre noch lange nicht hinter sich. Seit über 20 Jahren ist es im täglichen Einsatz, wie seine rund 200 Mitbewerber, mit denen die Touristen vom Flughafen abgeholt, zum Restaurant gefahren oder einfach nur zum Sightseeing durch die Stadt gegondelt werden.

Wenn Elton John zwischen seiner Villa auf dem Lido di Venezia und der Lagunenstadt pendelt, bestellt er sich immer dasselbe Taxi: `Colombina´ ist liebevoll gepflegt und perfekt lackiert.”

Colombina Elton John©CLAUS REISSIG 30000

Venedigs Wassertaxis sind Kult, und das nicht nur bei Besuchern der Stadt, sondern auch bei Liebhabern alter Boote. Denn die Schiffchen, konzeptionell irgendwo auf halbem Weg zwischen einem Kapitänstender und einer alten Riva, ändern sich seit Jahrzehnten so wenig wie Venedig selbst. Die schönsten Taxis kommen aus einer der ältesten Werften: Serenella auf der gleichnamigen Insel eine knappe Meile vor der Stadt. Hier werden die Taxis gebaut, die aus Venedig so wenig weg zu denken sind wie der Markusplatz oder die Dogenpaläste. Hölzerne Kleinode wie eine Riva Aquarama an der Cote d´Azur.

Kaum kann man sich vorstellen die Rialto Brücke zu besuchen und neben den allgegenwärtigen Gondeln nicht auch die Taxis durch den Canal Grande pflügen zu sehen. Beliebt, weil sie neben den Fähren die einzigen schnellen Verkehrsmittel in der 1000-jährigen Stadt sind und gehasst, weil sie von vielen für die Schäden an den wundervollen Palästen verantwortlich gemacht werden.

Die schönsten Taxis kommen Serenella auf der gleichnamigen Insel eine knappe Meile vor der Stadt. In den letzten Jahrzehnten hat sich hier nicht viel geändert.”

Serenella Elio Salvagno©CLAUS REISSIG 70000

In die Serenella-Werft hat die Gegenwart ebenso wenig Einzug gehalten. Hier wird Holz fast noch so verarbeitet, wie man es sich als Liebhaber klassischer Motorboote vorstellt. Der Rumpf wird über Kopf jeweils einzeln über Mallen diagonal formverleimt. Drei Lagen, ehe die letzte Lage Sapelli-Furnier (ein dem Mahagoni ähnliches Holz) in Längsrichtung wirkt wie eine klassisch aufgeplankte Außenhaut. Lediglich die Proppen fehlen, sonst könnte man den kleinen Kniff fast glauben. Vom Aufplanken verabschiedete sich Inhaber Elio Salvagno in den Siebzigern. Zwar war das Äußere einer Holzyacht erwünscht, die Arbeit mit einem geplankten Rumpf scheuten seine Kunden jedoch.

Ansonsten hat sich bei Serenalla seitdem nicht viel geändert. Wortlos und stolz steht der Bootsbauer in der Armaturentafel des nächsten Taxis, das in wenigen Monaten ausgeliefert werden soll. Kein einfaches Teil: Hinter einem massiven Querbalken wird das Armaturenbrett aus sieben Lagen Sapelli-Furnier mühselig in Form gebracht. Die Platte, aus der die letzte Lage Wurzelholzfurnier geschnitten wird und wie in einem alten Rolls Royce anmutet, kostet so viel wie ein Raummeter Mahagoni – rund 2000,- Euro. Der Holzverschnitt beim Perfektionisten Salvagno ist riesig. Das Armaturenbrett ist genau in der Mitte gespiegelt, die Maserung liegt auf beiden Seiten genau gleich vor dem Fahrer, in einer Ecke der Halle verstauben Reststücke für tausende Euro.

Mit der `Mariacristina´ hat Giovanni das Glück eine fast neue Serenella zu fahren. Der Stolz steht ihm förmlich ins Gesicht geschrieben”

Mariacristina Canale Grande©CLAUS REISSIG 20000 Kopie

Viele der Beschläge werden speziell von oder für Serenella angefertigt, so zum Beispiel die Lenkradspeichen aus Bronze, die in der Werft poliert, verchromt und einzeln mit einem Holzkranz versehen werden. Auch die Herstellung einzelner Teile wie die Scharniere des Motorraums, die Türgriffe, Fensterrahmen und selbst Tanks und Flaggenstöcke übernimmt die Werft selbst. Für alle Fenster werden Muster in Holz an eine Glasfabrik geschickt, die danach zweilagig die Glas-Originale fertigt.

Sicherlich alles Gründe, warum es die Werft noch gibt und außer ihr nur noch eine Handvoll anderer Hersteller übriggeblieben sind, die Taxis bauen. Vom Konzept her sind sie alle ähnlich und als klassischer Tender mit Fahrer konzipiert. Die Gäste steigen über Treppchen beidseits in das weit vorn liegende Cockpit ein, so kann der Fahrer helfen, ohne seinen Platz am Steuer zu verlassen. Dahinter erstreckt sich die kleine Kajüte mit einer Heckscheibe zum Versenken und einem Glasdach, das sich nach vorn aufschieben lässt; früher per Hand und heute elektrisch.

Vom Konzept her sind die Taxis als klassischer Tender mit Fahrer konzipiert. Inklusive einer Heckscheibe zum Versenken und einem Glasdach, das sich aufschieben lässt.”

Venedig Boscolo Taxi©CLAUS REISSIG 44 Bearbeitet 10000

So reist man wie in einem Landaulet durch die Lagunenstadt, neben und über einem ziehen die prächtigen Fassaden vorüber. Eine abgeschlossene kleine Welt, trotz der Nähe zu den Häusern und Menschen, die sich in den makellosen Lackschichten spiegeln. Und weit entfernt von der erhabenen Position, die einem eine Gondel aufzwingt. Während man sich dort als Teil der Attraktion auf hunderten von Urlaubsfotos wiederfindet, schließt man im Taxi die Scheiben und kann die Stadt zwar sehen, aber sie draußen lassen.

Die Taxipreise sind wahrscheinlich die höchsten in ganz Europa. Derzeit betragen sie reichlich über einen Euro pro Minute plus zehn Euro Starttarif. Eine Stunde in den Kanälen ist mit über 100 Euro ein teures Vergnügen, einmal abgesehen von den Aufpreisen für Gepäck, spezielle Routen oder mehr als vier Passagiere. Zugelassen sind die Miniyachten jedoch für bis zu 20 Personen und leisten damit einen nicht unerheblichen Beitrag zum öffentlichen Nahverkehr. Denn wie will man sonst zu seinem Hotel kommen? Die öffentlichen Verkehrsmittel sind teuer und fahren nur auf den Hauptrouten, alle Nebenstraßen sind die Welt der Taxis.

Im Zentimeter-Abstand werden die Boote an den Hausmauern vorbei gezirkelt. Was jedem Skipper den Schweiß auf die Stirn treiben würde, gehört in Venedig zum Alltag.”

Mariacristina Rio Dei Santo Apostoli©CLAUS REISSIG 20000

Giovanni hat das Glück eine fast neue Serenella zu fahren. Der Stolz steht ihm förmlich ins Gesicht geschrieben, wenn er hinter dem steilen Holz-Steuerrad stehend sein Schmuckstück im Zentimeter-Abstand an den Hausmauern vorbei zirkelt. Jedem anderen würde das den Angstschweiß auf die Stirn treiben, hier gehört es zum Alltag. Die Boote sind mit neun Meter Länge und gerade einmal 2,20 Meter Breite für die Maße der Kanäle optimiert, auf denen sie fahren dürfen. Schließlich sollen sich die Boote auch noch begegnen können, teilweise knicken die Wasserstraßen zudem rechtwinklig zwischen den Häusern ab. Für die optimale Manövrierfähigkeit werden fast alle Boote heutzutage mit Z-Antrieb und Dieselmotor im Heck ausgerüstet.

Alle paar Monate kommt `Mariacristina´ in die Werft, um eine neue Lackschicht zu erhalten. Denn nur die gepflegtesten Boote bekommen die lukrativen Aufträge.”

Serenella Werft©CLAUS REISSIG 70000

Alle paar Monate kommt Giovannis „Mariacristina“ zur Überholung in die Werft, um eine neue Lackschicht zu erhalten. Denn die gepflegtesten Boote bekommen die lukrativsten Aufträge. Hinter vorgehaltener Hand sprechen die Taxifahrer von einem Jahresumsatz von rund 200.000 Euro. Da lässt man sich eine Lackierung gern einmal etwas mehr kosten.

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