Martinique Bai Du Tresor 50000

Reise: Martiniques Osten

Martinique bietet weit mehr als die Törnführer schreiben. Es gibt genug Buchten um hier einen ganzen Urlaub zu verbringen – vor allem, wenn man sich die Zeit für die Ostseite nimmt.

 

Story und Bilder: Claus Reissig

 

Aus den Lautsprechern plätschert eine Art französischer Reggae als am Nebentisch der nächste Planteur auf dem Tisch gestellt wird. Der Rum von der Insel als Hauptbestandteil lässt die Crew sanft in den Stühlen zusammen sinken, während sich die Nacht wie ein warmer Schal um die Schultern legt. Wie ein müder Kater steigt der Halbmond auf dem Rücken liegend über den Berg und verleiht der Szenerie einen zusätzlichen Hauch unwirklicher Romantik.

Es gibt Krabbenparfait und das leckere Muschelragout, das fast wie Wildschwein schmeckt, um uns herrscht angenehme Ruhe. Martinique ist der Kontrapunkt zum wilden karibischen Süden, das französisch animierte Essen ist die willkommene Alternative zu Hühnchen und Spare Ribs von den kreolischen Grills.

Um den Mount Pelée sammeln sich blitzschnell die Wolken, die mit ihren ergiebigen Niederschlägen die Grundlage für den Regenwald mit seiner üppigen Vegetation bilden.”

Tropischer Regen Kopie0000

Der vulkanische Ursprung teilt die Insel in zwei Hälften. Im Norden der über 1.200 Meter hohe Mount Pelée, dessen Aufstieg selbst von dem hoch gelegenen Parkplatz immer noch rund drei Stunden in Anspruch nimmt. Ein Tagesausflug für unerschrockene Wanderer. Denn um den Vulkan sammeln sich blitzschnell die Wolken, die mit ihren ergiebigen Niederschlägen die Grundlage für den Regenwald mit seiner üppigen Vegetation bilden.

Zehn, 15 Meter hohe Bambushaine wechseln sich ab mit Palmen, Bananen und Blumen jeglicher Couleur. Wären die tiefen Schluchten nicht derart grün und würde nicht in jede Himmelsrichtung die karibische See blinken, könnte es einen auch in die Alpen verschlagen haben. Die Strände an seinem Fuß: Fast schwarze, fein gemahlene Lava, die sich zur Mittagszeit wie ein Ofen aufheizt.

Die Strände am Fuß des Mount Pelée: Fast schwarze, fein gemahlene Lava, die sich zur Mittagszeit wie ein Ofen aufheizt.”

Martinique St. Pierre 880000

Rechnet man die Atlantikseite der Insel mit, besteht Martinique im Grunde sogar aus drei Teilen. Das vorgelagerte Riff schützt die Ostseite gegen den einlaufenden Atlantikschwell, nur wenige unentwegte Segler verirren sich hierhin. Vielleicht, weil „Schützen“ hier ein recht relativer Begriff ist, vor allem beim Anlaufen der Außenseite. Nicht umsonst gilt Tartane an Martiniques Atlantikküste auf der Halbinsel Caravelle als Geheimtipp unter Surfern. Wem allerdings zum Thema Wellenreiten sofort mehrere Meter hohe Wasserwände in den Sinn kommen, wie sie auf Hawaii üblich sind, wird hier enttäuscht werden, auch wenn sich hier teils Tubes bilden, die Wasserröhren, in denen die Wellenreiter geduckt die Welle hinunterschießen.

Das kleine Örtchen Tartane auf der Ostseite ist einer von 14 Surfspots auf der Insel, „der Gefährlichste!“, wie ein Insider betont. Wobei er damit allerdings schon wieder den nächsten Spot meint: Cocoa; und noch weiter im Nichts Richtung Atlantik dann schließlich Pelle a Tarte mit teils spektakulären Wellen, die – wie uns hier jeder versichert hat – nur von Profis und Verrückten gesurft werden. Der Untergrund ist teilweise felsig, ebenso wie das Ufer oder die Auslaufzonen der Wellen daneben.

Die Atlantikdünung bricht sich mit Wucht auf den schroffen Felsen des Point de Diable, was man frei mit Teufelskap übersetzen könnte, und das ist sicherlich nicht übertrieben.”

Martinique Pointe Du Diable

Die Atlantikdünung bricht sich mit Wucht auf den schroffen Felsen des daneben liegenden Point de Diable, was man frei mit Teufelskap übersetzen könnte, und das ist sicherlich nicht übertrieben. Ungebremst fegt der Wind über das Lavagestein, zwischen dem zerfetzte Palmen den Elementen trotzen. Die Gewässer sind gespickt mit Untiefen und Riffen, gutes Kartenmaterial war nur schwer zu bekommen. Wer hier segelt, sollte mindestens unerschrocken sein und etwas Andres sehen wollen, als die Karibik aus dem Prospekt mit weißen Stränden und türkisem Wasser.

Und er sollte Zeit mitbringen, denn der Weg auf Martiniques Ostseite ist beschwerlich. Stundenlang kreuzen wir gegen Strom, Wind und meterhohe Wellen, immer mit der Zeit im Nacken. Denn steht die Sonne bei Ankunft schon zu tief, werden die verschachtelten Riffe unsichtbar, das Einlaufen in eine mäandernde Fahrrinne zwischen den Korallen auf Legerwall würde für uns trotz GPS zu einem Vabanquespiel. Dann hieße es kurz vor dem Ziel abdrehen und am nächsten Tag einen neuen Anlauf nehmen.

Stundenlang kreuzen wir gegen Strom und Wind, immer mit der Zeit im Nacken. Denn steht die Sonne bei Ankunft schon zu tief, werden die verschachtelten Riffe unsichtbar.”

Martinique Baie Du Tresor 90000

Als wir es schließlich geschafft haben, finden wir uns in menschenleeren Buchten wieder, teilweise umgeben von fast undurchdringlichen Mangrovenwäldern, die uns einen langen Marsch zum nächsten Ort abverlangen, wenn wir denn die Zivilisation suchen. Dazu kommt eine beachtliche Mückenpopulation. Die Ortschaften sind zumeist klein, Tartane als nächstes Dorf besteht aus ein paar Dutzend Häuschen, einigen Hotels und ebenso vielen Surfschulen und Brettverleihern.

Die Ostseite Martiniques ist die Domäne der Surfer. Wir als Segler werden hier angesehen wie Außerirdische; die Yachten, die wir bei einem mehrtägigen Aufenthalt in der mit strengen Auflagen geschützten Baie du Tresor trifft, können wir an einer Hand abzählen, über Nacht bleibt außer uns niemand. Hier auf der Ostseite können wir uns in der Natur tagelang verlieren, ohne auch nur einmal dem Karibikkitsch zu begegnen, der viele Segler im Urlaub über den Atlantik zieht. Die Bars, das Essen, die Sprache: Alles ist hier mehr Frankreich als Karibik, ebenso wie die Autos oder die Urlauber. Ankern ist schwierig, Schnorcheln durch die Schwebstoffe wenig ergiebig.

Wir finden uns in menschenleeren Buchten wieder, teilweise umgeben von fast undurchdringlichen Mangrovenwäldern. Dazu kommt eine beachtliche Mückenpopulation.”

Martinique Bai Du Tresor 40000

Es ist dieses Dörfliche, Wilde, Abgeschiedene, das Martiniques Außenseite für uns zu einem Insidertipp macht. Die Straße ist eine Sackgasse, entsprechend wenig Verkehr kommt auf die kleine Halbinsel südlich von Trinité an, dem nächst größeren Ort mit immerhin gut 10.000 Einwohnern. Hier, am östlichen Ende der Insel hat sich noch keine echte Surfer-Gemeinde entwickelt, wie in etlichen andern Teilen der Welt; auch wenn es hier ein paar Einheimische gibt, die teilweise darauf beharren, dass es „ihre“ Wellen sind, auf denen sie den ersten Anspruch zum Ritt haben. Gerade einmal zehn Jahre ist es her, dass die Surfer die französische Insel für sich entdeckt haben. Ein Geheimtipp wie gesagt, obwohl das in Zeiten des Internets immer mehr zur Phrase verkommt.

Die Geschichte Martiniques ist die zahlreicher andrer in der Karibik. Über 200.000 der fast sechs Millionen überwiegend westafrikanischen Sklaven sollen in der dunklen Zeit auf die Insel gebracht worden sein, um auf den Zuckerrohrfeldern zu schuften. Heute, über 500 Jahre nach der Entdeckung durch Kolumbus auf dessen letzter Reise, ist die Insel größtenteils mit den Nachfahren der verschleppten Afrikaner besiedelt.

Über 200.000 der fast sechs Millionen überwiegend westafrikanischen Sklaven sollen in der dunklen Zeit nach Martinique gebracht worden sein, um auf den Zuckerrohrfeldern zu schuften.”

Martinique Chateau Dubuc 20000

Entgegen andrer Kolonialstaaten entließ Frankreich die Insel 1946 aber nicht unvorbereitet in die Unabhängigkeit, die auf den Nachbarinseln vor allem Armut mit sich brachte, sondern versah sie mit den Privilegien eines französischen Départements d’Outre-Mer, oder Überseedepartments. Damit ist Martinique heute Teil Frankreichs und damit der Europäischen Union, die sonst vielerorts anzutreffende karibische Hoffnungslosigkeit fehlt.

Das Reisen oder das Ein- und Ausklarieren ist stark vereinfacht. Selbst die Büros der Einreisebehörden sind Computern zum selbst einklarieren zum Opfer gefallen – ungewohnt für Segler, die aus andren Karibikstaaten kommen. Was nicht heißt, dass man unbeobachtet um die Insel segelt: Der Helikopter der französischen Marine verbringt etliche Minuten im Tiefflug, um unseren Kat zu identifizieren und zu fotografieren. Zu ungewöhnlich ist der Anblick einer Yacht auf dem Weg zur Ostseite.

Kommt man nach einigen Tagen im rauen Osten zurück auf die Karibikseite, befindet man sich wenige Segelstunden vor dem Wind wieder im behüteten Westen mit allen Versorgungsmöglichkeiten und Buchten voller Yachten.

Nach wenigen Segelstunden vor dem Wind befinden wir uns wieder im behüteten Westen Martiniques mit allen Versorgungsmöglichkeiten und Buchten voller Yachten.”

Martinique Grande Anse D'Arlet 20000

Fast kann man nicht glauben, dass man sich immer noch auf derselben Insel befindet. Wer die Inselseiten wechselt, ist so etwas wie ein Wanderer zwischen den Welten, aber diesen Sprung wagen nur die Wenigsten.

Das macht den Charme dieser großen Insel in den kleinen Antillen aus. Das Schroffe der Ostseite, das Schwarz der Lava im Norden im Gegensatz zum weißem Korallensand im Süden Martiniques. Statt Dominica im Norden liegt von dort St. Lucia am Horizont, eine Halb-Tagesreise entfernt. Martinique für eine Woche? Zu wenig, wenn man alles sehen möchte.

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