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Gebrauchtbootkauf, Teil 2

Die ersten Wochen hatten wir die Lagoon 37 auf Grenada repariert (Gebrauchtbootkauf, Teil 1). Jetzt kamen die Probefahrten. Es galt die letzten Schwachpunkte zu finden.

 

Story und Fotos: Claus Reissig

 

Die Kaufkriterien für den Katamaran waren seinerzeit schnell umrissen: Bezahlbar, gern schnell, gut ausgerüstet und aus privater Hand. Unser Schiff hatte zuletzt einen deutschen Voreigner, das war ein gutes Vorzeichen. Die Besichtigungen an Land waren gut verlaufen, etliche hundert Arbeitsstunden hatten wir investiert (diesen Teil lesen Sie hier), ehe wir abslippen konnten. Jetzt zeigte sich, was an weiteren Reparaturen dazu kommen würde, denn wir hatten den Kat ohne Probefahrten kaufen müssen – der Preis!

Mein Credo für die ersten Törns ist, das Schiff zu belasten. Nur so zeigen sich Schwachpunkte und die Werft ist noch nah. Als Regattasegler bin ich es nicht gewohnt Material unnötig zu schonen. Übertragen auf die Probefahrten hieß das: Volle Segel und voller Speed. Denn was jetzt hier an der Kreuz nicht kaputt ging, würde es auch später nicht tun. Das galt auch für die Maschinen: Wir ließen sie ausgiebig unter Last laufen, vorher wurden alle Filter ersetzt, die Pumpen überholt und auf einer Seite eine neue Zylinderkopfdichtung eingebaut.

Etliche hundert Arbeitsstunden hatten wir an Land investiert, ehe wir abslippen konnten. Jetzt zeigte sich, was an weiteren Reparaturen dazu kommen würde.”

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Da bin ich anderer Meinung als manche Fahrtensegler, mit denen ich gesprochen hatte, und die mit maximal 1.500 Umdrehungen motoren – aus Angst davor, dass die Maschine eventuell irgendwann einmal ihren Geist aufgibt. Denn wenn man aber nur 20 von 70 PS benutzen möchte, fährt man seine großen und schweren Motoren im Grunde nur spazieren. Die Reparaturen liegen hingegen nach meiner Erfahrung meist in der Peripherie: Lichtmaschinen, Filter, sowie Sprit- und Wasserpumpen sind die Hauptverdächtigen. Dazu kommen eingebaute Fehler von den Vorbesitzern.

Überhaupt kamen wir nicht umhin, uns einmal über die ganze Technik Gedanken zu machen, die wir hier so spazieren fuhren. In das Meiste konnte ich mich hineinarbeiten, jedoch mit einer technischen Ausbildung, einem Studium in Schiffs- und Anlagenbetriebstechnik, sowie mittlerweile fast 30 Jahren als Technikredakteur und Berater. Trotzdem liefen auf unsrem Schiff permanent Systeme, die beobachtet und gewartet werden mussten, sie waren ja nicht neu und teilweise gerade erst wieder in Betrieb genommen worden.

Würde es an den Ankerplätzen der Karibik einen TÜV für Schiffe geben, wäre die Durchfallquote wohl immens. Und unsre Lagoon hätte anfangs dazu gehört.”

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Dazu muss man Lust haben. Für einen Nichttechniker, der nicht alles hätte selbst machen können, wäre das Schiff dadurch definitiv zu teuer geworden; zumindest dann, wenn man es auf einen vernünftigen Stand bringen wollte.  Ein Blick auf die Fahrtenschiffe, die uns umgaben, bestätigte dies übrigens: Die Yachten waren häufig zu groß, zumeist mit zu viel Technik ausgerüstet und die Eigner an Bord waren zu wenig ausgebildet um völlig sicher damit segeln zu können.

Unser Katamaran war aber das beste Beispiel dafür. Bei all den Reparaturen, die hier in der Vergangenheit unzureichend oder falsch ausgeführt wurden, war es fast ein Wunder, dass nie etwas passierte. Hätte es an den Ankerplätzen der Karibik einen TÜV für Schiffe gegeben, wäre die Durchfallquote wohl immens gewesen. Und unsre Lagoon hätte dazu gehört.

Beispiele dafür gab es viele an Bord, angefangen von einer Fallwinsch, bei der ein Teil weggelassen wurde, über falsch verkabelte Batterien, drei (von vier) defekten Bilgepumpen, die erwähnte kaputte Zylinderkopfdichtung oder einen rissigen Gasschlauch und einen völlig verdreckten Vergaser vom Außenborder. Dazu kam eine lose Verbindung zwischen Getriebe und Motor, falsche Lukenhebel, eine nicht zur Nuss passende Ankerkette und Genuarutscher mit zu kleinen Kugeln.

Es gibt eine alte Regel die heißt: Die kleinsten Schiffe machen die größten Reisen. Wohl auch, weil die wenige Technik einfach in Stand zu halten ist.”

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Wer sollte sich auch in der Karibik um all das kümmern? Und der (heutzutage) kleine Kat hatte nicht einmal Elektrowinschen, Generator oder Watermaker an Bord, wie es auf vielen anderen Schiffen mittlerweile Standard ist. Wie ich unterdessen von anderen Eignern weiß, verbringen die teilweise Wochen in einer Bucht, um mehr oder minder komplexe technische Probleme zu lösen. Eine Nachbaryacht lag beispielsweise mit einer nicht funktionierenden manuellen Ankerwinde fest, die sich ohne zusätzliche Ersatzteile schließlich in einer guten Stunde perfekt reparieren ließ. Und während ich das schrieb, wurde gerade ein Beiboot mit defektem 25-PS-Außenborder hereingeschleppt, das mit seinem Besitzer mit dem Passat Richtung Mexiko trieb. Rudern kann man so ein Boot kaum noch.

Eine Lösung für lange Reisen sind aufwendige Fahrtenschiffe von darauf spezialisierten Werften, die bestes Material verbauen und einen weltweiten After-Sales-Service garantieren. Das kostet natürlich zusätzlich Geld. Oder ein kleineres Schiff. Es gibt eine alte Regel die heißt: Die kleinsten Schiffe machen die größten Reisen. Wohl auch, weil die wenige Technik einfach in Stand zu halten ist. Eigentlich ein schöner Gedanke, denn das ist doch irgendwie der Geist des Fahrtensegelns.

Essentiell ist jedoch eine intensive Begutachtung, wie ich sie für Gebrauchtyachten anbiete. Nur so lässt sich herausfinden, ob der zukünftige Eigner mit der Technik wird umgehen können. Eventuell muss das Budget angepasst werden, oder ich rate zu einem andren Schiff.

Mit seinen noch recht guten Segeln ging der Kat rund 35 Grad an den Wind, dazu kamen noch einmal gut 20 Grad Abdrift. Also ein Wendewinkel von reichlich 110 Grad.”

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Die Voraussetzungen für den ersten Törn mit unsrer Lagoon waren übrigens unangenehm. Der Wind hatte auf Nord-Nordost gedreht, es war also eine volle Kreuz. Nicht grad die Spezialität eines Katamarans. Mit seinen noch recht guten Segeln ging er rund 35 Grad an den Wind, dazu kamen noch einmal gut 20 Grad Abdrift. Also ein Wendewinkel von reichlich 110 Grad. Damit kann man leben, vor allem angesichts eines Speeds von fast sieben Knoten. Zum Vergleich: eine Fahrtenyacht mit tiefem, effektivem Kiel hat gut getrimmt rund 90 Grad Wendewinkel, der Eigner einer Doppelkiel-Aluminiumyacht, ich traf, bestätigte 140 Grad bei seinem Schiff. Die Erklärung bei jeder Art Schiff mit Stummelkielen, wie sie auch die Lagoon 37 hat, ist einfach. Es fehlt ein hydrodynamisch wirksamer Flügel unter Wasser. Oder, weniger effektiv wie beim Langkieler, schlicht ganz viel Fläche.

Mangels Kielgewicht, also einer trägen Masse, kam beim Kat an der Kreuz eine ruckhafte Nickbewegung dazu, dafür betrug die Krängung jedoch gerade einmal fünf bis zehn Grad. Das Nicken war ungewohnt, aber ich empfand es im Vergleich zu einem Einrümpfer mit andauernder Lage am Wind oder Rollbewegungen vor dem Wind immer noch als angenehmer. Von dem Plus an Lebensraum und dem am Anker ebenfalls durch Abwesenheit glänzenden Rollen schon bei leichtem Schwell einmal ganz zu schweigen. Da hatte der Katamaran nicht zu viel versprochen. Was nerven konnte, war das Schlagen der Wellen unter das Brückendeck und das, obwohl wir unser Schiff bis auf das Nötigste ausgeräumt hatten. Meist kam das beim gegen die Wellen anfahren unter Maschine vor; dann jedoch häufig.

In der Lagoon 37 waren zwei Yanmar-Diesel mit je 16 PS verbaut. Dass die Motoren zu klein wären, stellte sich dabei als unbegründete Sorge heraus.”

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In der Lagoon 37 waren zwei Yanmar-Diesel mit je 16 PS verbaut und nachdem die Rollgenua defekt und kein Ersatz an Bord war, hieß es gegen den Passat und die Atlantikwelle nach St. Lucia anzudampfen. Dass die Motoren zu klein wären (wie ich beim Kauf noch gedacht hatte), stellte sich dabei als unbegründete Sorge heraus. Das gereffte Groß und beide Maschinen auf ¾-Gas genügten für eine Marschfahrt von gut sechs Knoten – nicht schlecht. Vor allem hinsichtlich des geringen Verbrauchs.

Ebenfalls angenehm im Verbrauch war der Autohelm-ST50-Autopilot mit Raymarine Motoreinheit, sowie der mit zusätzlichen Lüftern aufgepeppte Kompressor-Kühlschrank. Trotzdem die Hauptbatteriebank nicht geladen werden konnte (weil ein Massekabel fehlte) genügten 440 Amperestunden Kapazität und die Solarzellen zum Laden zumindest für eine Laufzeit von nahezu einer Woche. Einen Windgenerator hatten wir nicht an Bord. Er gilt unter Fahrtenseglern als uneffektiv, mich persönlich stört zudem das fortwährende Gepfeiffe an den Ankerplätzen. Den kräftigen Inverter für die vielen Ladegeräte von Fotoapparat, Handy oder Laptop an Bord empfinde ich dagegen auch im Nachhinein als essentiell.

Letztlich waren die Schäden nach den ersten Schlägen gering. Es hatten sich aber noch einige Probleme gezeigt, die wir vor den anstehenden längeren Strecken beseitigen konnten.

Gebrauchtbootkauf, Teil 1: Die Sache mit den Listen

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Essentiell ist eine intensive Begutachtung, wie ich sie für Gebrauchtyachten anbiete. Eventuell muss das Budget angepasst werden, oder ich rate zu einem anderen Schiff.”

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