Beratung Kappe 2

Gebrauchtbootkauf, Teil 1

Je weiter ein Gebrauchtboot entfernt ist, desto günstiger wird es. Schnäppchen sind hingegen selten, zumeist wartet ein Riesenberg Arbeit. Meiner war eine Lagoon 37 und lag auf Grenada.

Story und Bilder: Claus Reissig

Angeblich gibt zwei glückliche Tage im Leben eines Schiffseigners: Den, an dem er sein Schiff kauft und den, an dem er es wieder verkauft. Für den ersten der beiden stehen die Zeichen derzeit gut; so günstig, heißt es, hat es Schiffe noch nie gegeben. Der Markt ist mit neuen Yachten gesättigt, viele Eigner wollen ihre gebrauchten Yachten loswerden. Um jeden Preis sagt man. Das ist wohl nur bedingt richtig: Zwar sind die Preise für gebrauchte Schiffe zeitweise wirklich niedrig, aber zumeist nicht für gesuchte Modelle, sondern für die der Massenhersteller, also Bavaria, Hanse oder Beneteau. Wer ein Schiff mit Wert sucht, oder wie ich einen stabilen Fahrtenkatamaran, der muss Glück haben. Denn trotz allen Drucks im Markt sind die Verkäufer durchaus gewillt einige Zeit zu warten, damit es vielleicht doch noch zum Wunschpreis klappt.

Im Falle dieser Lagoon 37 waren es fast drei Jahre. Das Schiff liegt in einem Trockenlager in der südlichen Karibik, hurrikansicher verzurrt. Potentielle Käufer hatten sich in der Zeit nur wenige eingefunden, zu weit ist die Anreise. Mit zwei Personen und einem kleinen angeschlossenen Urlaub kostet so eine Besichtigung schnell einige Tausend Euro kosten – auch ein Grund für den schließlich niedrigen Kaufpreis. Meine erste Besichtigung ist ernüchternd und es entsteht die erste Liste; angefangen von leckenden Fenstern über neue Fallen und Schoten, eine kaputte Zylinderkopfdichtung, bis hin zu nicht funktionierenden Bilgepumpen und kaputten Kühlschränken. Die Tropen haben ihre Spuren hinterlassen: Die UV-Strahlung zersetzt Kunststoff und Dichtungen, tropischer Regen und die Hitze besorgen den Rest. Wer nicht viel selber machen kann, sollte sich an dieser Stelle vielleicht besser nach einem teureren Objekt umsehen, das weniger Arbeit macht.

Angeblich gibt es zwei glückliche Tage im Leben eines Schiffseigners: Den, an dem er sein Schiff kauft und den, an dem er es wieder verkauft. Für den ersten stehen die Zeichen derzeit gut; so günstig hat es Schiffe noch nie gegeben.”

CarpeDiem Yard

Der Spice Island Marine Service ist ein Lagerplatz für Yachten im Süden Grenadas. Nach Hurrikan Iwan 2004 sturmsicher hochgerüstet mit Erdankern und einem einigermaßen befestigten Boden. Es gibt an manchen Steckdosen 115 und 230 Volt (die anderen funktionieren nicht) und fließend Wasser. Außerdem einen von zwei Yachtausrüstern (Budget und Island Water World) in St. George´s, dem Hauptort des Inselstaats. Diese beiden werden in den kommenden Wochen zum Hauptanlaufpunkt, nicht nur für die Reparatur der Lagoon, sondern von dutzenden andren Yachties, die hier zeitweise auf dem Trockenen sitzen. Die Projekte: Von wenigen Wochen bis zur dreijährigen Generalüberholung einer ehemals gesunkenen Yacht. Die Gespräche drehen sich dementsprechend um das Wesentliche: Wo gibt es was und für wie viel und was würde man wirklich brauchen. Nach einiger Zeit fängt man an Dinge zu kaufen, einfach weil sie gerade einmal da sind. Der Preis wird zweitrangig.

Zum Beispiel für Sikaflex zum Eindichten der großen Fensterflächen (die wie erwähnt alle lecken). Man braucht 295 UV, sieben Kartuschen gibt es noch auf der ganzen Insel, alle in weiß. Nachschub sollte von St. Marteen kommen, aber der Container war nicht dabei. Also erst einmal die vorhandenen sichern. Dazu gehören jedoch ein Reiniger (ist zu bekommen) und ein bestimmter Primer, ohne den es nicht geht (eine kleine Dose auf Grenada). Nach einem Fenster wandert dieser Punkt also auf Liste Nummer zwei, mit den Dingen, die noch getan werden müssen, wenn Liste eins abgearbeitet ist. Typische Begrüßung am Morgen von Leiter zu Leiter: „Wie geht es deiner Liste?“ „Gut, sie wächst!“ Der Humor wird zunehmend schwarz.

Mit einem Bauprojekt in Deutschland nebst allen Spezialisten in der Nachbarschaft sind die Tropen nicht zu vergleichen. Viele Antworten beginnen mit einem einfachen nein. Der genannte Primer für die Fensterdichtmasse darf zum Beispiel nicht geflogen werden, einen neuen Delta-Anker gibt es zwar in 20, nicht aber in 16 Kilogramm. Die erhältlichen Feuerlöscher sind US-amerikanischer Standard, einen Servicestützpunkt für die Rettungsinsel gibt es erst auf Inseln viel weiter im Norden. Der Schlosser kommt aus England und ist im Weihnachtsurlaub, während der einheimische Helfer des Riggers ein Teil fürs Ruder mit einem metrischen Gewinde versieht und eine Schraube im Zollmaß hinein quetscht. Auch bei kleinen Reparaturanfragen sind durchaus Zweifel angebracht. Das Trampolin möchte der französische Segelmacher am liebsten für fast 1.000 Dollar gleich neu machen (ebenso wie die Wanten). Der ebenfalls französische GfK-Spezialist schätzt den Sanierungsaufwand für  einen sich später als harmlos herausstellenden Riss im Mastbereich auf 7.000 Dollar.

Um die Kosten und die Zeit im Zaum zu halten empfiehlt sich übrigens Regel Nummer drei: Vermeide bei einem Refit den Satz: Wenn ich schon einmal dabei bin…”

ST JKIMES1 Artikel 6

Die Karibik ist warm und verlockend, gern sitzen die Segler schon mittags bei Bier oder Rumcocktails zusammen. Nicht wenige geben die anfänglich intensive Arbeit auf. Entweder aus fehlender Motivation, Mangel an Material – oder weil das Werkzeug fehlt. 25 Kilogramm inklusive Drehmomentschlüssel für die Zylinderkopfdichtung, Ersatzteile, Winkelschleifer für verrostete Ankerschäkel oder einen Feinschleifer (großartige Maschine) zur Herausschneiden der Fenster sind es für den neuen Kat. Der Preis für den zweiten Koffer als Übergepäck ist mit 50 Euro geradezu lächerlich im Vergleich zum Nutzen, den man mit gutem Werkzeug hat.

Überhaupt die Kosten. Nach dem Kauf fängt erst einmal das Geld an zügig vom Konto zu fließen. Das Boot muss versichert werden (nicht einfach bei einem Kat mit geringer Versicherungssumme in tropischen Gefilden) über die Flüge hin und zurück, Standkosten in der Werft – und die Rechnungen bei Budget und Co. Eine alte Regel sagt: wenn Du über den Kaufpreis des Schiffes nachdenken musst, ist es zu teuer. Eine andre, von Segler-Legende Bobby Schenk: Kauf immer so groß wie möglich für Langfahrt. Nicht einfach beide unter einen Hut zu bekommen; denn sie stimmen beide. Um die Kosten und die Zeit im Zaum zu halten empfiehlt sich übrigens Regel Nummer drei: Vermeide bei einem Refit den Satz: Wenn ich schon einmal dabei bin…

Denn der Zeitplan ist neben den Listen das Wichtigste um überhaupt irgendwann einmal ins Wasser zu kommen. Randy aus Aurora in Colorada, der mit seinem Kat nach einer Riffberührung aufgrund einer schadhaften Mooring hier ist, witzelt, hier sei es wie im Lied „Hotel California“ von den Eagles: You can check in every time you like, but you can never leave (Du kannst jederzeit einchecken, aber nie wieder gehen), heißt es darin. Hoffentlich doch, zwei Dinge sollen dabei helfen. Auf der Lagoon zum einen eine klare Struktur: Erst wird eine Kabine zum Wohnen hergerichtet, dann von dort ausgehend das Schiff überholt. Welche Reihenfolge ist eigentlich egal, der französische Katamaran aus den Neunzigern von Backbord vorn nach achtern, übers Brückendeck nach Steuerbord achtern und so weiter. Das hilft den Überblick über die anfallenden Arbeiten und die zur Verfügung stehende Zeit zu behalten. Zum anderen gilt für Liste 1 auf Carpe Diem (so heißt sie vom Voreigner): Perfektion vermeiden. Die kostet Zeit und Geld und schließlich soll das Schiff möglichst schnell segeln; und perfekt ist der Gegner von sehr gut.

Zum Eindichten der großen Fensterflächen braucht man Sikaflex 295 UV, sieben Kartuschen gibt es noch auf der ganzen Insel. Nachschub sollte von St. Marteen kommen, aber der Container war nicht dabei.”

ST JKIMES1 Artikel 4

Ende Woche zwei, der Breakeven ist erreicht, die Liste wächst langsamer als sie abgearbeitet wird. Trotzdem ist der Arbeitsanfall gewaltig, auch die Belastung für die Moral ist nicht zu unterschätzen. Alle Stauräume und die meisten Kabinen sind leer, weil in ihnen gearbeitet wird, dementsprechend liegen Werkzeug und Ausrüstung jetzt überall im Schiff. Aber ab jetzt können Sektionen geschlossen werden, zum Beispiel die Nasszelle Backbord achtern. Die Kopfdichtung, Ölwechsel, alle Filter, Impeller, sowie die Batteriebank nebst neuer Verkablung und Schaltung sind gemacht. Die Verkleidungen kommen davor. Segel können jetzt hier eingestaut werden und schaffen woanders Platz – ein großer Moment, auch wenn man nichts von der verborgenen Arbeit hinter den Verkleidungen sieht.

Eigentlich sollte der Kat jetzt schon schwimmen, aber für Februar sind noch einmal zwei Wochen in der Werft zusätzlich eingeplant. Danach kommt Liste 2, vor Anker. Da wird die Arbeitsgeschwindigkeit übrigens ziemlich abnehmen, sagen erfahrene Bootseigner. Es gibt keinen Strom mehr, kein Wasser, alles Material muss mit dem Dingi herbei geschafft werden. Außerdem lockt das Wasser und es kommt regelmäßig Besuch von andren Schiffen. Dessen sollte man sich bewusst sein, wenn man die Werft verlässt.

Ob sich der Kauf  unter diesen Umständen gelohnt hat? Ja, zum einen ist die Yacht immer noch verhältnismäßig günstig, zum anderen kennt man sie nach der Zeit der Überholung in- und auswendig. Definitiv ein Vorteil, wenn man einmal alles selbst in der Hand gehabt hat. Und zum Arbeiten im Winter gibt es zudem schlechtere Orte als Grenada.

Kaufberatung

Ich übernehme Kaufberatungen weltweit. Die anfallenden Kosten richten sich dabei nach dem Revier, sowie der Schiffsgröße. Auch telefonische Termine sind möglich. Weitere Details finden Sie unter Beratung.

Essentiell ist eine intensive Begutachtung, wie ich sie für Gebrauchtyachten anbiete. Eventuell muss das Budget angepasst werden, oder ich rate zu einem anderen Schiff.”

Trockenfallen

Ein paar Tipps für den Kauf im Süden:

– Für die Abwicklung empfiehlt sich ein Gutachter. Dessen Kosten sollten im Kaufpreis enthalten sein

– Für die Besichtigung vor Ort mehrere Tage einplanen: Ein Schiff besteht aus unendlich vielen Baustellen

– Erstellen Sie Arbeitslisten, machen Sie Fotos und schätzen Sie den Arbeitsaufwand realistisch ein

– scheuen Sie sich nicht ein niedriges Angebot zu machen. Den „anderen Käufer“, der noch mitbietet, gibt es häufig nicht

– Legen Sie für sich einen Maximalpreis fest, zudem ein Budget für die Reparaturen (das kann von einigen tausend bis zu einigen zehntausend Euro reichen)

– Verhandeln Sie ohne Zeitdruck, riskieren Sie im Zweifel mehrere Reisen zu verschiedenen Schiffen

– schätzen Sie Ihre eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten realistisch ein. Die ersten Besuche auf dem Schiff sind kein Urlaub

– Bringen Sie für den zweiten Besuch alle nötigen Werkzeuge und nötige Ersatzteile mit

– Rechtzeitig die Versicherung kontaktieren, gerade in Regionen mit möglichen Hurrikans kann es schwierig (oder teuer) werden

– Kontaktieren Sie im Vorwege mögliche Spezialbetriebe vor Ort und erfragen Sie Preise und Reparaturmöglichkeiten

– Erkundigen Sie sich rechtzeitig nach Liegeplätzen und die Kosten dafür

– Fragen Sie Werften oder Experten in Deutschland nach den Erfahrungen mit bestimmten Problemen

– Kalkulieren Sie eine mögliche Überführung ein: Reisekosten, Crew und Zeitaufwand

Gebrauchtbootkauf, Teil 2: Realitätsüberprüfung

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